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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

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Heft 21 (Septemberheft 1920)
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Bröger, Karl: Aus Karl Brögers "Held im Schatten"
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0490

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Die Dienstzeit ging zu Ende. Ernst wunderte sich oft, wenn er zurück-
dachte. Nie vorher hatte sein Leben diesen starken, kräftigen Pulsschlag
gehabt. Nie war Zeit so schnell und brausend durch ihn geströmt. Sann
er über die zwei Soldatenjahre, so drängte sich die Erkenntnis vor, ein
neuer, ein ganz anderer Mensch sei in seine Haut gewachsen. Wo war
die Scheu geblieben vor Menschen und fremden Zuständen? Er konnte freier
in die Welt blicken, seit er vorgefaßte Gedanken wegschob, die zwischen
seinem Sinn und dem wahren Bild der Welt standen. Er war zweifelnd
geworden, ob es wirklich seine Vorstellung von der Welt war, die er diese
Iahre her bildete. Hatte er nicht Grabbe oder Hebbel auf die Nase
gesetzt und durch sie das Leben wie Lurch eine Brille gesehen? Ein Gefühl
langsamen Erwachens reckte sich, dumpf und schläfrig noch manchmal, und
willens, wieder hinzusinken in wüsten Halbschlaf. Wach zu werden, den
Tag zu grüßen, der schon ungeduldig die hellen Schwingen regte, war Ernst
Löhners Sehnsucht, die er brütend mitnahm in die Vaterstadt. . .

Vom tzeute fürs Morgen

Dank ins Ausland

ein Blatt in Deutschland sollte ver-
säumcn, den Ausländcrn Dank zu
sagen, die uns jetzt helfen. Anfangs kam
es umnchem von uns nicht ganz leicht
an, die Tafeln Schokolade oder die
Büchsen Milch anzunehmen, die ihm
Schweizer oder Holländer als Liebcs-
gaben schickten — wir hatten keine
Aussicht, die kleinen Geschenke zu er-
widern, gerade das wurde uns beim
Empfange bedrückend und beschämcnd
bewußt, und wie liebenswürdig und
wirklich fein die Begleitworte waren,
wir empfanden doch etwas wie eine
Demütigung. Das war unfrci, es
war klein von uns. Für uns, die
keine Kriegsgauner sind und von
denen die freien Geistesarbeiter schon
durch die Valuta um ncun Zehnteile
ihres Einkommens gebracht sind, ist
jcde nährende Gabe einfach eine Hilfe
von Mensch zu Mensch, und wer
dem Ausgeraubten hilst, übt damit
nicht nur eiue Mildtätigkeit für ihn,
sondern auch ein Recht, ein schönes
Recht für sich aus. Wir dürfen
annehmcn, — «ber wir sollen dank-
bar sein.

Nun heißt es: die Deutschamcrikaner
schicken uns huuderttauscnd Milchkühe
hcr. Ist das wirklich wahr? Die wären
heute nach dem Erpressen und Bc-
rauben mit Geld von uns überhaupt
nicht zu beschaffen, aber auch drüben
hat man sie nicht nur mit Geld be-
schafft, sondern auch mit Organisation

und Mühe und Fleiß. Menn wieder
einmal Deutsche den Deutschamerika-
nern wegen irgend etwas grollcn soll-
ten, mögen wir, mögen unsre Kinder
und Enkel an die hunderttausend
Milchkühe von G20 denken!

Und in welcher Großartigkeit bc-
tätigen sich die Quäker! Ohne jedes
Reden nach außen hin, mit der Nuhe
des Vornehmen, dem sich das Helfen
von selbst versteht, sobald es eben zu
helfen gilt, ganz in der Stille be-
reiteten sie ihr Werk vor, so wirkten
sie es und so wirken sie.

Ich sollte noch der Heilsarmee ge-
dcnken und der vielen vielen, die in
den Grenzländern unmittelbar, aus den
entfernten Ländern durch Scndungen
sich unserer Kinder erbarmt haben.

Gedenken wir aber auch der fran-
zösischen Gruppe der Frauen-Liga für
Frieden und Freiheit. Konnte ihre
Gabe für die hungernden Kinder Mit-
teleuropas nicht gar groß sein, so
liegt der Gedanke an das Scherflein
der Witwe nah. Man sagt, hier seien
Arme beteiligt, nicht wenige hätten
die Kleider gefallener Söhne verkauft,
nm ihre Gabe beisteuern zu können.
Iedeufalls: die uns ausgeraubt haben,
die sind hier nicht dabci, sondern die
sind es, die sich nach demselben Ziele
hinsehnen, wie wir. Schwestern, die
unsern Frauen immer zugleich den
Gedanken bestätigen sollen: es sind
niemals die Völker als Ganze, die
einander Feinde sind. A

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