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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 16 (2. Maiheft 1920)
DOI Artikel:
Sapper, Karl: Verheißung und Verwirklichung, [3]
DOI Artikel:
Fischer, Eugen Kurt: Wolfram von Eschenbach: zu seinem 700. Todestage
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0193

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Lebensziel aufgestellt hatten: die Versöhnung. Lest diesem Tage,
seit dem 28. Iuni haben sie dies Lebensziel verdoppelt. Hinzu aber tritt
die Wiedergutmachung des großen Unrechtes, -velches euch
zugefügt worden ist. Gleichzeitig heißt dies auch für das unglückliche Frank--
reich arbeiten."

Der Russe Tschitscherin, gewiß kein besonderer Deutschenfreulrd, sagt:

„Der Imperialismus der Ententeländer hat seine Gegner zu Boden ge-
worfen und feiert jetzt ein Siegesfest, welches jedoch von kurzer Dauer
sein wird. Der gegenwärtige Imperialismus trachtet nur darnach, das be-
siegte Volk, das bisher sein Gegner war, empfindlicher zu treffen, es voll-
kommener auszusaugen und zu seinem ewigen Gefangenen und Sklaven
zu machen. blnerhörte Knebelung, unerhörte Knechtung , das
bedeutet für das werktätige deutsche Volk der übermittelte Friedensvertrag,
der ihni von den entmenschten Siegern aufgezwungen wird. Raub, Ge-
walt, Verbrechen durch und durch: das ist der Vertrag, den zu
unterzeichnen man das entrechtete deutsche Volk nötigte. Gebiete mit un-
zweifelhaft deutscher Bevölkerung werden ihm entrissen, seine kostbarsten
Naturschätze werden ihm genommen. Es wird gezwungen sein, so unerhörte
Kontributionen zu zahlen, daß, selbst wenn das ganze deutsche Volk Tag
und Nacht ausschließlich für die Befriedigung seiner Sieger arbeitete, es
dann noch nicht imstande sein würde, mit deren Forderungen fertig zu
werden."

So sehr wir eine solche aufrichtige, unverblümte Sprache gutheißen und
uns daran ersreuen mögen, so müssen wir uns doch wohl hüten, auf solche
Außerungen von Sozialisten allzuviel zu geben. Kaum eine Macht hat in
diesem Krieg und bei den Friedensverhandlungen so vollkommen versagt
wie die sozialistische Internationale. Lrnst und ehrlich meinten die Inter-
nationalität eigentlich nur die deutschen Sozialisten; die der feindlichen
Länder erwiesen sich fast durchweg als streng national und hatten eutweder
nicht Len guten Willen oder nicht die Macht, auch nur im geringsten dem
Rechtsstandpunkt beim Friedensschluß Geltung zu verschaffen.

Erwarten wir daher ja nicht von außen Hilfe und Rettung! Weder
die internationale Sozialdemokratie noch der heute ganz unter feind-
lichem Einfluß stehende Völkerbund werden uns Hilfe bringen. Sie kann
nur durch unsere eigene Arbeit, durch die wirtschaftliche, ebensowie durch die
sittliche Lrtüchtigung und Erneuerung, durch die Wiedererweckung nationaler
Kraft aus unserem eigenen Volke kommen. Karl Sapper

Wolfrarn von Eschenbach

Zu seinem 70V. Todestage

err Wolfram und Herr Walther hüten seit siebenhundert Iahren das
MsHZauberschloß der deutschen Dichtung. Viele sind nach ihnen gekom-
^^men, keiner war größer als sie. In dem Österreicher Walther vvn
der Vogelweide jubelt und kämpft zum erstenmal der freie Mensch, der
Gott und Kaiser, Weib und Volk unabhängig gegenübersteht, in Wolfram
von Eschenbach, dem Franken, vereint sich das Freiheitsgefühl des Indivi-
duums mit dem Verantwortungsgefühl gegenüber Gott und der mensch-
lichen Gemeinschaft. Beider Leben und Schaffen ist ähnlich, sie sind arme
Adlige, wandern von Fürstenhof zu Fürstenhof, lernen mittelbar oder un-
mittelbar von den großen Franzosen und ringen sich schließlich zur eigenen
 
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