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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

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Heft 17 (1. Juniheft 1920)
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Fischer, Eugen Kurt: Literaturgeschichte
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Schwab, F.: Fritz Schumacher über Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0235

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falsch sein. Die Literaturgeschichte dient nicht der Literatur — das mögen
Asthetik und Kunstpsychologie tun —, sondern der Geschichte als Kultur-
wissenschaft. Sie zeigt, wie sich die Geschichte in bildsamen Seelen spiegelt,
zeigt die Wirkung des Weltgeschehens auf die empfänglichsten Aufnehmer
des Zeitgeistes, die recht eigentlich sein Gewissen sind. E. K. Fischer

Fritz Schumacher über Baukunst

s ist kein Zufall, daß gegenwärtig die fruchtbarsten Anregungen für

Kunsterziehung und Kunstbetrachtung von Architekten ausgehen: Die
^»^andern Künste haben sich noch nicht zurückgefunden zu bestimmten
Forderungen der Methode und des Stils, weil sie jetzt auf Abungs- und
Versuchsplätzen spielen. Die Architektur darf das nicht, und am wenigsten
heutzutage, sie kann nur örtlich, zeitlich und gesellschaftlich bestimmten
Aufgaben durch deren Lösung dienen. Kennt eine Zeit die ihr eigentüm-
lichen künstlerischen und technischen Aufgaben, so kann sie auch den Weg
zu ihrer Erfüllung finden, und einzelne überragende Könner haben ihn
auch schon gefunden. Die Masse der Künstler aber tappt noch im Dunkeln,
weil niemand ihr die Mittel zur methodischen Erkenntnis der neuen zeit-
bedingten Zielsetzungen an die tzand gibt, noch auch nur taugliche Arbeits-
methoden.

In seinem Buch: „Grundlagen der Baukunst. Studien zum
Beruf des Architekten" (München, Georg D. W. Callwey) spricht Schu-
macher von der Aufgabe des fertigen Architekten, vor allem von dem
Problem der „Stadt", bei dessen bautechnischer Bewältigung sich der
Mangel einer deutlich ausgeprägten sozialen Grundlage am meisten fühl-
bar macht. So wichtig ist das Vorhandensein sozialen Denk- und Organi-
sationsvermögens, daß die seither meistbetonten mathematischen und künst-
lerischen Kenntnisse und Fähigkeiten etwas zurücktreten: es genügt, für
mathematische Dinge Verständnis, für künstlerische einen genügend feinen
Instinkt zu haben, daß man nicht über die Grenzen des eigenen Könnens
hinaus auf Kosten des Bauganzen dilettieren zu dürfen glaubt. Die
eigentliche architektonische Fähigkeit definiert Schumacher als „die Fähig-
keit, gleichzeitig ein und dasselbe negativ und positiv, als Raum und als
Masse, sich vorzustellen und mit dieser Vorstellung im Geiste schalten und
walten zu können, die Fähigkeit, in der Phantasie eine Masse als Organis-
mus zu schauen, gleichsam durchsichtig, so daß Innen und Außen stets im
selben Augenblicke vor dem Bewußtsein stehen, und gleichsam beweglich,
so daß jeder Umgestaltungsgedanke des Inneren sofort in seine äußeren
Folgen umgedacht wird". So ist die Sprache der technischen Zeich -
nung das, was der Architekt vor allem zu lernen hat. Im Abschnitt
„Architektur und Charakter" wird die Gefahr geschildert, daß
die Großstadt den Architekten zum Geschäftsmann in Grundstücken und
Hypotheken macht, daß für ihn der Begriff des „Ersatzes^ zum Grund-
begriff wird und daß das Wahrheitsgefühl für Material, Technik und
Konstruktion verloren geht. Bei all dem darf nie der Blick auf den
Menschen verloren werden: „Architektur ist künstlerisch nichts Absolutes-
sie ist die Form, wie sich eine soziale Erscheinung körperlich ausdrückt."
Zur Bildung des Architekten gehört außer Kenntnis der Formpro-
bleme, die der historischen Schule vielfach genügte, vor allem die der
Raumprobleme und der kunstgewerblichen Aufgaben seines Faches. „Es
 
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