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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 17 (1. Juniheft 1920)
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Avenarius, Ferdinand: Dunkelmännerzeit?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0225

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Dunkelmännerzeit?

haben durch verschiedene Ausführungen, vor allem durch den
H AAufsatz Wolfgang Schumanns in unserm erften Dezemberhefte be-
wiesen, daß wir bei Entlohnung der „Kopfarbeiter" gegenüber
den „Handarbeiterrr" keinen erledigten Grundsätzen nachweinen. Wir ver-
langen keine materielle Bevorzugung der Kopfarbeiter, wir verlangen da
nur ihre Gleichstellung mit den Handarbeitern, und daß man ihnen Arbeits-
bedingungen fchaffe, die geistige Arbeit gedeihen lassen. Auf
die Güte dieser Leistung kommt's an, sie ist die Sache, die zu ent-
scheiden hat. Man weiß aber, wie sich jetzt die Dinge entwickeln. Die
Kopfarbeiter sind zunächst machtloser als die Handarbeiter, die Macht
entscheidet jetzt, und das führt Zustände herauf nicht nur von Anerträg-
lichkeit für die Kopfarbeiter, sondern von Bedrohlichkeit fürs Ganze. Ver-
schmähen wir das billige Agitationsmittel, Linnahmen von Kutschern mit sol-
chen von Geheimräten oder gar Einnahmen von Bergleuten mit solchen von
kulturnotwendigen Denkern zu vergleichen! Ohnehin weiß ein jeder: Ein deut-
scher Geistesarbeiter, der heute nicht ins Ausland oder zur Reaktion
will, beweist dadurch eine Einsicht und eine Selbsterziehung, die nicht gemein
sind. So gehn denn in Wahrheit die Kopfarbeiter in Scharen zur Reaktion.
Und auch nicht nur aus Verstimmungen. Sehr gescheite Männer und
Frauen, die noch im vorigen Iahre hoffnungsvoll und nicht aus Selbstsucht
zu den neuen Fahnen traten, fürchten heute von der Fortdauer der gegen-
wärtigen Zucht-, Plan- und Sinnlosigkeit ein Zerstören aller Kulturmög-
lichkeiten. Wäre unsre deutsche Gesellschaft ein für sich selbständig ver-
antwortliches, willenfreies und entschlußgesundes Wesen, litte sie nicht in
Wahrheit unter der materiellen Bedrückung und seelischen Erkrankung, sie
würde auch für das, was jetzt geschieht, verdienen, daß man zur
andeni Seite tritt. Denn dann wäre es nicht nur da und dort bis zum
Frevel grausam, wie man die Kopfarbeiter jetzt hinter die Handarbeiter stellt,
uein, hter geschähe in der Tat ein Unterwühlen unsrer Kultur, das die
^nfähigkeit der Sozialdemokratie zur Führung in die Zukunst der Mensch-
heit beweisen würde. In Wahrheit haben aber diese Vorgänge mit
^ozialdemokratie gerade zu wenig zu tun. Gerade die planmäßige Arbeit

1- Iuniheft iS2o (XXXIII, 17)

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