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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 19 (Juliheft 1920)
DOI Artikel:
Keyserling, Hermann Graf: Farben in der Kunst
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Avenarius, Ferdinand: "Lernt von ostasiatischer Kunst"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0329

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gegebeneir Heidelberger Kunstgeschichtlichen Abhandlungen (Heidelberg (9V,
Verlag Carl Winter) hat Goldschnridt eine Studie, betitelt „Farben in
der Kunst", herausgegeben, deren Text gar trocken ist, jedoch in der An-
wendung auf das auf 86 farbigen, größtenteils von Hand gernalten Tafeln
in Großfolio beigegebene Illustrationsmaterial außerordentlich interefsant
wirkt. Da lehrt die Anschauung, daß sich der Farbensinn tatsächlich nach
den gleichen Gesetzen, inr Lanf der Entwicklung, kompliziert, wie die Musik,
und daß es Regeln gibt, die völlig unzweideutig alle chromatische Kunst
als Prinritiv, aufsteigend, vollendet, dekadent oder verroht qualifizieren lasseu.
Da erweist es sich ferner, warum Rembrandt, trotz seiner Bevorzugung
dumpfer Töne, als größter Farbenkünstler wirkt: braun und grau sind
tatsächlich die Grundtöne der Farbenoktave, weshalb deren Ilntergrund
allein den Lichtflecken, von denen Gelb die Dominante ist, höchste Wirk-
samkeit verleiht. Iknd es erweist sich vor allem ein überaus Bedeutendes:
daß die Kunstentwicklung im gleichen Sinn in Zyklen fortschreitet, wie
die Natur. Iede Richtung beginnt primitiv und endet dekadent oder
verroht; nach jedem Ende beginnt die Entwicklung im gleichen Sinn
aufs neue. End- und Anfangsstadien berühren sich dabei, während die
größten Divergenzen sich innerhalb der Mittellagen finden. Diese Er-
gebnisse, unter allen Umständen interessant, erscheinen nun besonders frucht-
bar zur heutigen Zeit, wo es so schwer fällt, innerhalb der jüngsten Rich-
tungen zwischen Dekadenz, Barbarei und edler Ursprünglichkeit zu unter-
scheiden. Wir stehen eben tatsächlich auf dem Nullpunkt gleichsam zwischen
Sterbendem und Neuwerdendem, in.der Malerei genau so wie in der
Politik,- auf beiden Gebieten herrscht zurzeit der Bolschewismus. Aber auch
aus beiden birgt dieser große Zukunftsmöglichkeiten. Die politischen hat
Harald von Hörschelmann in seinem Büchlein „Person und Gemein-
schaft" (Iena, Diederichs) am besten bestimmt, die künstlerischen vermutlich
Wilhelm Fränger bisher am tiefsten verstanden. Aber aus Goldschmidts
Antersuchungen, die leicht symbolisch umzudeuten sind, verstehen wir erst
ganz, wie sehr alles auf dieser Welt zusammenhängt. Es herrscht nicht mehr
Willkür in dem Wandel der Moden, als in den verschiedenen Abwand-
lungen einer Kristallgrundform. Zyklischer Fortschritt ist der Weg aller
Natur, in die, von bestimmtem, sehr fruchtbarem Gesichtspunkt aus be-
trachtet, die Kunstentwickelung mit hineingehört.

Friedrichsruh Graf Hermann Keyserling

„Lernt von ostasiatischer Kunst!"

^m^aß dieser Ruf seit der „Entdeckung" der ostasiatischen Kunst nicht
>^^^zum Schweigen kommt, weist wohl deutlich genug darauf hin, daß
an seiner Forderung „was dran" ist. Die Zeiten sind endgültig vor-
bei, da man sogar für Chinas und Iapans Kunst höchstens „ethnographi-
sches Interesse" aufbrachte. Aber was „soll" man vou ihr „lernen"? Wir
behaupten: die Beschästigung unsrer Künstler mit China und Iapan bleibt
fast ausnahmelos für eines jeden Nrteil, der ins Wesen sieht, geradezu
lächerlich an der Oberfläche. Nur: belegen können wir das erst später,
denn noch fehlt unsern Lesern das nötige Anschauungsmaterial, wir kön-
nen's ihnen ja nur tropsenweise geben. Immerhin: schon die paar Proben
von ostasiatischen Zeichnungen, die wir im letzten Iahr vorlegen konnten,
reichen aus, um Kritik zu bilden. Deshalb kommen wir heute auf sie zurück.

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