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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

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Heft 19 (Juliheft 1920)
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Vom Heute fürs Morgen
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0381

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Deutschlands Schicksal

s ist möglich, daß der Deutsche uoch
eiumal von dcr Weltbühne ver-
schwindet, denn er hat alle Eigen-
schaften, sich den Himmel zu erwerben,
aber keine einzige, sich auf der Erde
zn behauptcn, und alle Nationen

hassen ihn, wie die Bösen den Guten.
Wenn es ihnen aber wirklich einmal
gelingt, ihn zu verdrängen, wird ein
Zustand entstehen, in dem sie ihn
wicder mit den Nägeln ans dcm
Grabe kratzen möchten.

Fr. Hebbel

Unsre Bilder und Noten

W

ir setzen vor diescs Heft ein photographisches Bildnis Christian M o r°
sgenstcrns. Das ungewöhnlich „sprechende" Blatt entstand zu einer
Zi it, da Morgcnstern seinen frühen Lod schon vor Augen hatte.

Die Vignette Sonne und Adler im Text ist nach einem Entwurfe von Mor--
genstern für das Titelblatt der „Stufen" von H. Wildermann gezeichnet worden.

Unsre Wiedergaben guter und alter ostasiatischer Kunst haben auf viele
Leser, dic nur schlechte neue japanische Drucke oder gar ihre Nachahmungen
kannten, wie Ausblicke in eine neue Welt gewirkt. Gerade um der Asien - Mode
entgegenzuwirken, setzen wir unsere Reproduktionen guter asiatischer Kunst
also fort. Der heute auf zwei Seiteu wiedergegebene alte chinesische Druck gibt
ein geradezu vollendetes Meisterwerk von Zeichnung wieder, in dem man bei
längerer und wiederholter Betrachtung immer neue Schönheiten finden wird.
Näheres dazu in dem Aufsatze dieses Heftes von Avenarius.

Hintcn in farbigem Steindruck Dagmar Hooges „Aufziehendes Gewitter".
Die starke und echte Wirkung ist psychologisch mit einfachen Mitteln erreicht, denn
wennschon zur Reproduktion mehr Plattcn notwendig waren, so geht der psychische
Eindruck doch eigentlich nur auf einen Dreiklang von Farbe und auf eine einfache
schräge Teilung zurück. Gewitterstimmung, wie sie nicht „echter" erlebt werden kann:
eine klare souuige Nähe und eine Ferne, aus der alle Dämonen zu drohen scheinen.

Die Kopflciste von I. V. Cissarz stammt aus dem „Deutschen Spielmann".
>»»m eine Anschauung vou der G l u ck schen „Semiramis" zu geben — über
^-4-die ich im Hauptteil ausführlicher spreche —, bringt die Notcnbeilage den
Schluß der letzten Szeue im Klavierauszug. Ninias hat das Göttergebot,
seiuen Vater zu rächen, erhalten und überwindet seinen Schauder vor dem
Anausweichlichen. Das Maestoso und das weiter folgende Adagio bringen
eine Art Zwischenaktsmusik, da die Handlung sich außerhalb der Bühne ab-
spielt und auf der Bühne von Priestern und Volk mit Zagen und unter Ge-
beten erwartet und begleitet wird. Bei Maestoso haben wir zu denken, daß
Ninias iu das Grab hinuuterstcigt, das Adagio gibt das Priestergebet, das
durch eineu Schrei des Entsetzens uuterbrochen wird, als Ninias mit dem
blutigcn Dolch wieder heraufsteigt. Mein Blick fällt gcrade auf einen Ton
von wimmcrndem wahnsinnigem Schmerz, das As im 5. Takt der vierten
Seite. Ich will eingestehcn, daß ich, als ich zuerst daraufstieß, nahe daran
war, es in das gewöhnliche A zu korrigieren, bis mir die Ausdrucksgewalt des
an der Grenze der musikalischen Verständlichkeit stehenden Toncs aufging,
dessen Kühnhcit uncrhört ist, und der so unauffällig, als momeutaner äußerster
Exzeß, dahiugeworfen ist: ein echtester Gluckblitz. Man findet derartige Stellen,
die uns das Tcmperament des Küustlers schlaglichtartig offeubaren, gar nicht
selteu verstreut in den Werkeu Glucks. Dazu paßt die herbe, die Kehle zu°
sammcnschnürende, den schneidendsten Schmcrz ausdrückeude, hoheitsvoll-zarte
Stimme der H o b o e. Der Schluß, in dem die Wogen des Entsetzens übcr
Ninias zusammenschlagen, vermeidet die helle Stimme der Trompetcn und
bringt nur dcn stumpfen Schmerz der Hörner. M. A.

Herausgeber: vr. b. e Fcrd. Avcnarius in Dresdcn-Blascwitz; verantwortlich: der Herausgeber —
Derlag von Georg D. W. Lallwev, Druck von Kastner L Lallwcy, Buchdruckcrei in Miinchen — In
Ssterrcich-Ungarn für Hsrausgabe u. Schriftleltung vcrantwortl.: vr.Richard Batka in Wien I I, Taborstr.Lü
 
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