Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1920)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Zu Hans Volkmanns Sechzigstem
DOI Artikel:
Giannoni, Karl: Die Wiener Not
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0282

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
der Heftigkeit der Gebärde auf die Tiefe der Gesinnung. So gilt in be--
stimmten Kreisen als ganz besonders deutsch derselbe Maler, der seiner
Zeit in ein vaterländisches Monurnentalbild eine französische Iungfrau von
Orleans als Germania hineinplagiierte, und als das herauskam, heimlich
ummalte. Dagegen ist die Kunst des Karlsruher Kreises, die mit dem
Deutschtum nicht im mindesten auftrumpft, in Wahrheit ganz und gar
deutsch, weil sie die Dinge ganz und echt aus deutschem Gefühle heraus
gestaltet. Sie braucht dazu keine gekrönten Adler, noch Siegfriedgestalten,
noch irgendeine Symbolik überhaupt. Sie braucht nur ein Waldtal oder
ein Kornseld für ihr Vild, um das Heimatgefühl, das Deutschgefühl des
Betrachters zu wecken und zu stärken. Vielleicht sagt die Vehauptung
nicht zu viel: kein Künstlerkreis hat überhaupt mehr dazu getan, um durch
all die Verstiegenheiten, Verflachungen und Maskierungen unsrer wirren
Zeit das Deutschgefühl hindurch zu retten, als der Karlsruher Kreis.
And in ihm nach Thoma keiner mehr als Volkmann. A

Die Wiener NoL

^-»^it Ergriffenheit erfahren wir in Wien es täglich, wie die Anteil--
^ i! / ü uahme von Verwandten und Freunden im Deutschen Reiche sich
^^^um unser Schicksal sorgt und auf Mittel sinnt, uns zu helfen. älnd
unvergcssen wird unseren Volksgenossen draußen bei uns bleiben, daß nach
einem Reichsbeschluß die ganze Bevölkerung sich für uns Brot am Munde
abgespart hat, als wir davor standen, keines mehr zu haben. Der Dank
dafür sei diesen Zeilen vorangestellt, die unseren Vrüdern im Hause des
deutschen Vaterlandes, von dem wir mit enttäuschter Hoffnung abermals
ausgeschlossen stehen, sagen sollen, wie es jetzt um uns in dem alten schönen
Wien steht.

Warum die Not in Wien die größte von allen ist, das in allen seinen
Arsachen darzustellen, soll hier nicht versucht werden. Was den Nnterschied
der Lebenshaltung in Berlin und in einer kleinen bayerischen oder württem--
bergischen Landstadt bestimmt, das wirkt bei uns in Osterreich, von dessen
Gebirgsländern keines reich ist, in der gleichen Nichtung noch stärker. Wien
aber liegt überdies heute an der äußersten Ostgrenze eines kleinen, armen
Staates, während seine Entwicklung darauf beruhte, daß es der Mittelpunkt
eines Staatengefüges war, das sich weit über Wien hinaus nach Osten
dehnte. Von dort erhielt es feine Nahrung; heute ist sein ehemaliges
Versorgungshiuterland fremdes Ausland, das sich abschließt, soweit es
nicht den Währungsunterschied ausbeutet. Dieser Währungsunterschied,
in den kein auderes Laud in gleich vernichtendem Maße gestürzt ist, in
Verbiudung mit der fürchterlichen Kohlennot verhindert Vezug und Ver--
arbeitung von Rohstoffen und lähmt damit die Selbsthilfe der Arbeit.

Wien muß fast seine gesamten Nahrungsmittel im Auslande kaufen.
Trotz der großen Zuschüsse des Staates zu ihren Kosten, eines Staates,
dessen Gebarungsabgang im letzten Iahre allein 8 Milliarden und
800 Millionen betrug, haben daher auch die Verkaufspreise felbst der
staatlich bewirtschafteten Lebensmittel eine so ungeheure Höhe erreicht, daß
sie ungeachtet der winzigen Mengen, die dem einzelnen zugewiesen werden
können, eiuer immer größeren Zahl von Leuten trotz der Lohn-- und
Gehaltserhöhungen kaum mehr erschwinglich sind. Das wenige vcrhandene
Fleisch bleibt bereits unverkauft liegen, trotzdem sich in Wien der haufen

2-fO
 
Annotationen