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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1920)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Jugend-Politisierung
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0269

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Iugend-Politisierung

ls vor „Denknebeln" habe ich kurz nach Kriegsbeginn vor den Störern
gewarnt, die uns in aufgeregten Zeiten besonders dicht die Wirk-
^d^lichkeit verschleiern und damit auch das Finden und Verfolgen des
rechten Weges sür uns selber erschweren* Klarheit und Wahrheit allein
dürfen wichtige Entschlüsse und Handlungen bestünmen — im Nebeldenken
aber glaubt man sie aus Neigungen und Abneigungen, aus Sorgen und
Hoffnungen, aus Vorliebe und aus Hasz, kurz: glaubt man Klarheiten und
Wahrheiten aus Asfekten gewinnen zu können. Wer kann sagen, was
uns das geschadet hat? Nnd dieses Denk-Wirren, dieser Kriegs-Denk-Ersatz
beherrscht unsere Gehirne noch. Er ist heute so stark geworden, daß
manchem mitunter die Sorge kommt: wir ständen vor einer „Dämmerung"
des Geisteslebens überhaupt. Die Vielen aber erkennen eben wegen des
Nebels in ihren eigenen Köpfen die Gefahr der Denknebel nicht. Oder
etwa doch? Was tut man dann, um in dieser Zeit, die an die Einsicht
der Deutschen, an die Klarheit ihrer Weltbilder, an die Besonnenheit
ihrer Entschlüsse und die Begründetheit ihrer Handlungen Anforderungen
stellt, wie noch keine Zeit vorher — ich frage: was tut man dann, um in
unsrer Gegenwart das klar Gedachte gegenüber dem verschwommen Ge-
dachten zu stärken? Nnd wir hätten doch wahrlich zureichenden Grund, um
die Besonnenheit mit allen Gehirnen zu vertewigen gegen das, was mit
den Nebeln herkommt: gegen das Massendenken, die Massenpsychose, den
Massenwahn, der Deutschland und Europa zu zerreiben droht.

1. Studenten gegen Dozenten

Was Wolsgang Schumann im ersten Märzheft dagegen gesagt hat,
daß Studierende Hochschullehrer am Lesen verhindern, hat uns eine Anzahl
Erwiderungen eingebracht, die schon dadurch symptomatisch sind, daß sie
ohne Ausnahme ganz die gleichen Gedanken spiegeln. Wir setzen davon
einen Brief als anschauliches Beispiel her:

„Die Ausführungen Schumanns übersehen völlig die Hauptsache. Die
Angrifse wurzeln bei der weitaus überwiegenden Mehrzahl der Kundgeber
in Beweggründen, welche gegen jeden Anwurf gefeit sind. Sie
richteten sich nicht gegen die Parteizugehörigkeit und den Pazifismus von
Professoren. Die deutsche Studentenschaft ist von höchstem Nnwillen erfüllt
über die moralischen Mängel, welche die politisch radikalen Kreise bei ihrer

* Der Aufsatz ist auch als 1,3k. Dürerbund-Flugschrift erschienen.

r. Iuniheft tI2o (XXXIII, 18)

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