Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 18 (2. Juniheft 1920)
DOI Artikel:
Avenarius, Ferdinand: Zu Hans Volkmanns Sechzigstem
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0279

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Zir Hans Volkrnanns Sechzigstem

^^<iele von uns werden sich noch an den Tag erinnern, da ihnen
(zum ersten Male als billiger Steindruck für die Wand Hans von
Bolkmanns „Die Sonne erwacht" vors Auge kam. Dieses Tal mit
dem Flüßchen darin, dessen Waldhänge die ersten Strahlen der auf--
gehenden Sonne eben mit Gold umränderten — wie morgenjung, wie
frühlingfroh, wie beglückend war dieses Bild! Der Engelreigen droben,
wie jauchzte der der Sonne-Mutter der Welt als Kinderchor voraus! Das
Bild wirkt heute noch fast restlos gut, ganz gefüllt, ganz stark in innerer
Einheit, ganz ebenso froh, wie damals, als es seinen Sieg- und Segens--
zug durch die deutschen Familien-- und Schulstuben begann — „herrlich
wie am ersten Tag".

Wir haben dem Kunstwart seitdem eine gute Anzahl Bolkmannscher
Blätter mitgegeben. Welches davon war nicht schön, welches war Lußerlich,
welches scheint heute nicht mehr gut? Es war auch keines kleinlich davon,
fast in allen war im Gegenteil eine zusammenschauende Größe. Volkmann
war zwar nächst Thoma vielleicht der bedeutendste, aber er war nicht der
einzige seiner Art. Wie Köstliches hat von diesen „Karlsruhern" insbe--
sondere noch Kampmann gegeben, wie Schönes auch Kalckreuth, Hoch,
Biese, Grethe, Daur und mancher noch! Und nun eine Frage: hat jemals
einer unsrer Leser in einer kunstkritischen Betrachtung eines sogenannt
modernen Kritikers von dieser „Richtung" als von etwas irgendwie Wesent--
lichem sprechen hören? Für diejenige moderne Kunstkritik, die sich für
sührend hält, entwickelt sich die Malerei, die Malerei, indem der Im--
pressionismus der Alteren vom Expressionismus der Iüngeren abgelöst
wird. So ist es heute noch für jeden, der sich von diesen Herren gläubig
führen läßt, eine ausgemachte Sache: die eigentliche Ausdruckskunst ist
der Expressionismus, darum heißt er ja so. In Wahrheit liegt es ganz
und gar anders. In Wahrheit kann man auch mit „impressionistischer"
Technik Ausdruckskünstler sein, wie Fritz von Uhde beweist, und mit expres--
sionistischer Technik nichts als ein Musterzeichner, wie die große Mehr--
heit der gegenwärtigen Expressionisten zeigt. Gerade die vor allem
um Ausdruck ringende Kunst aber, welche die Naturformen nie ver--
gewaltigt, aber immer zur Mitteilung seelischer Stimmungen benutzt, muß
den Kunstmodenstreit stets als etwas Nebensächliches behandeln. Solch
eine war und ist die der „Karlsruher". Die sind deshalb gelegentlich be--
schimpft und fast nirgends, wo man von Kunst „tiefbohrend" sprach, wichtig
genommen worden, aber daran sind sie nicht gestorben. Nnd wenn unsre
Kunstweisen vom Amt sie in ihren Büchern so nebensächlich behandeln
sollten, daß sie schließlich aus der Kunstliteratur ganz verschwänden, so
vermute ich: es würde ihnen ergehen, wie es seinerzeit Kaspar David
Friedrich und den ihm Verwandten erging: bei der nächsten Iahrhundert--
ausstellung würden sie wieder entdeckt und weit über denen bewundert
werden, die man damals ihnen vorzog, als sie noch schufen.

Daß man über Volkmann und die seinen nicht gar so viel „schwätzt",
daran sind aber nicht allein die Einäugigkeiten von Kunstwissenschaftlern
schuld, sondern ein Schwachsehen von andrer Seite ist's ebenso. Ieder
weiß, daß der Karlsruher Kreis in besonderm Maße deutsch ist. Nun
wird vielen das Deutschsein der Kunst erst dann bemerkbar, wenn einer recht
auftrumpft: ich bin deutsch, und es schließen merkwürdigerweise viele aus

227
 
Annotationen