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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

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Heft 13 (1. Aprilheft 1920)
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Lebensmittelnot und Regierungsmacht
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0035

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geschieht. Es kamr auch die Form gewählt werden, daß die Natural--
prämie unmittelbar ausgefolgt wird, ohne daß überhaupt eine Geldzah-
lung oder auch nur eine Geldverrechnung dazwischentritt. In vielen FLllen
wird es sich empfehlen, die Prämie zu staffeln. Für die erste Getreide--
menge, welche über eine bestimmte Menge abgeliefert wird, erhalte der
Bauer eine kleinere Naturalprämie neben der Geldprämie, als etwa für
die nächste und übernächste. Wie weit man für Großgrundbesitzer und
Kleingrundbesitzer verschiedene Prämiensätze anwenden, wie weit man über-
haupt über eine sehr grobe Organisation hinaus feinere Anterschiede machen
will, hängt von der Personenzahl ab, welche man für eine solche Organisa-
tion zur Verfügung stellt. Es genügt aber meist, wenn die gröbsten Rn°
gerechtigkeiten vermieden werden. Schließlich sind wir ja Nngerechtigkeiten
zur Genüge gewöhnt. Die Frage, wie weit ganze Gemeinden, wie weit
Einzelpersonen Prämien erhalten sollen, wird verschieden beantwortet wer°
den können. Bei der Verteilung der Prämien muß wohl dem Lmpfänger
eine gewisse Wahl gelassen werden, soll nicht ein unerwünschter nachträg-
licher Tauschhandel die Folge sein, welcher viele empfindlich schädigen dürfte.
Es soll ja gerade dafür gesorgt werden, daß der Bauer rasch und zuver-
lässig zu den begehrten Industrieartikeln, der Städter rasch und zuver--
lässig zu den begehrten Agrarartikeln kommt, soweit diese überhaupt ver°
fügbar sind. Eine Hauptschwierigkeit bildet die Beschaffung der Anfangs-
vorräte, weil ja späterhin durch die wechselseitigen Produktionssteigerungen,
die der organisierte Tauschhandel zur Folge hätte, sowie durch die Vor°
räte, welche für die ersten eingetauscht werden, eine entsprechende Quelle
für weitere Tauschgeschäfte gegeben erscheint. Was die Form der An-
weisung anlangt, so bedeutet wohl die Ausgabe einer Art von Lebens-
mittelkarten mit wahlweiser Verwendung, wie sie gelegentlich vorgekommen
ist, gegenüber dem jetzigen Zustand die geringste Anderung, was Psycho-
logisch zweifellos von Bedeutung ist. Die reinen Naturalanweisungen
ohne dazwischentretende Geldzahlung haben den Vorteil, daß manche un-
kontrollierte Geldbewegungen ausgeschaltet werden. Die Naturalanwei-
sungen, welche als Prämien ausgegeben würden, besäßen wohl eine ge°
ringe Zirkulationsfähigkeit, insbesondere dann, wenn sie auf Namen, wie
die Bezugsscheine, lauten.

Die valutapolitischen Wirkungen decken sich im ungünstigsten
Falle mit jenen, welche Rationierungen und Kaufbreiteinschränkungen so°
wie Ausfuhrverbote auch jetzt ausüben. Soweit die Beamten sofort einen
Teil ihres Gehaltes in den Lebensmittelabgabestellen ihrer Ämter gegen
Lebensmittel verrechnen, wird die Menge des zirkulierenden Geldes ver°
ringert. Daß man die unmittelbar gelieferten Artikel für Geld nicht er°
hält, ändert die Kaufkraft des übrigen Geldes nicht anders, als heute die
Kaufbreitenbeschränkung, welche darin besteht, daß man für Geld nur eine
beschränkte Menge Brot, nicht aber weiteres Brot erhalten kann. Der
Einfluß auf das Inlandsgeld ist auch weniger wichtig. Die Geldbezie-
hungen zum Ausland hängen aber wesentlich davon ab, wie weit der
Ausländer für die österreichisch-ungarischen Noten Waren erhalten kann.
Dies wieder hängt wesentlich von der Exportfähigkeit Osterreichs ab. Sollte
der organisierte Naturalaustausch die Produktion erhöhen, dann würde
die für den Export zur Verfügung stehende Warenmenge steigen und damit
die österreichisch-ungarische Valuta im Auslande sich heben. Eine daneben
auftretende psychologische Wirkung auf die Valuta ist nicht anzunehmen,
 
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