die ihn mit eigner Hand gefertigt und ihm etwas vom eignen (Seist ein-
gehaucht hatten; kein Nachbar hatte ein völlig gleiches Stück, denn wo
tzandarbeit am Werke ist, verlassen nie zwei ununterscheidbare Eegenstände
die Werkstatt. Der Hausrat trug mehr als heute das Gepräge derer, die
er umgab, denn die Auswahl der Dinge unterlag mehr ihrem Willen. Ein
Leben ward geführt, das uns Iüngeren schon schwer vorstellbar ist; Äber»
lieferung beherrschte den Geist, das innere Auge überblickte nur enge
Horizonte des öffentlichen Lebens, diese aber waren dem Manne wahr-
hast vertraut, langsam rann die Zeit, von der viele Stunden der Muße,
der Natur, der Versenkung, der Geselligkeit gewidmet werden konnten,
ohne daß der Erwerb litt. Seltsam still war es, da die Interessenten, die
Vereine, die Massenveranstaltungen, die Industrie, die Parteien, die Zei-
tungen, die Reklame, die große Zweck- und Rechenhaftigkeit noch nicht
lärmten. Raum war für den Bürger, den Bauern, den Seßhaften auf der
Erde, die noch nicht unter Äbervölkerung seufzte.
Dieser Zeit entstammte Adolf Frey. Wir wissen nicht, ob er sie geliebt
hat; vielleicht, wahrscheinlich war er als Staatsbürger und Wirtschaftmensch
ihr entfremdet wie wir, 'zumal er unsicheren und ärmlichen Verhältnissen
entstammte. Gewiß hat er als Denker und Kenner ihre Nachtseiten und
ihre Äberlebtheit gekannt und beurteilt wie wir. Sicher hat er als Historiker
und Völkerkenner weit und klar über ihren Amkreis hinausgeblickt. Als
Gestalter aber war er ihr verhaftet und hat er bis zuletzt ihr Erbe in sich
getragen. In allen seinen Arbeiten hat er etwas vom „Meister" älterer
Tage; er wirft nicht Gedanken flüchtig hin, läßt nicht Gefühlen unachtsam
freien Lauf, hält nicht „Impressionen" fest, schreit, lärmt, schluchzt nnd giert
nicht. Anderseits: nicht einmal in der wissenschaftlichen Arbeit genügt
ihm bloße Folgerichtigkeit und Vollständigkeit, Sachlichkeit und Eindring-
lichkeit. Äberall ist sein Schaffen besonnene, materialkundige, auf Reife
und Ausgewogenheit, auf stillen Glanz und ungebrochenes inneres Leben
ausgehende „Arbeit"; Kunsthandwerk jedoch, nicht etwa rationalistisches
Zusammenfügen; immer zum guten, oft zum sehr großen Teil dem Instinkt,
der Intuition im Kern verdankt und trotz aller Fertigungmühe von leb-
haften Intuitionen, echter Einfühlung, echtem Nacherlebnis, echtem Er°
leben zeugend. Mit all diesen Worten sprechen wir zugleich von seinen
Dichtungen und von seinen wissenschaftlichen Schristen. Sie tragen diesen
Zug gleicherweise. Er hat ihn selbst gekannt. Als ihm einmal cin gar
nicht bedeutender, aber stilecht „moderner" Roman gesandt wurde, schrieb er
dem Verfasser höflich, achtungvoll, nicht ohne Äberschätzung darüber; er
selbst, so meinte er, werde dergleichen niemals auch nur von ferne zustande
bringen, und das imponiere einem doch immer. Vor etlichen Iahren
ließ er einen Aufsatz erscheinen, in dem er das Wesen des poetischen
„Motivs" behandelte; ein bestimmter, klar faßbarer, griffiger Anlaß schien
ihm besonders wesentlich für ein Gedicht. Ein Anlaß, den man breiter oder
knapper, zarter oder gröber, in Stanzen oder in Blankversen „behandeln"
müsse; ein Anlaß, der keimen und treiben könne und sich zu andern füge oder
andre abwehre. Die Neueren und Neuesten haben keinen Sinn für das
„Motiv", so fühlte er; Stimmungen, Gereiztheiten, Äberreiztheiten, Auf-
gewühltheiten kannte er, aber er schuf nicht aus ihnen heraus, sondern
„verwertete" sie, wo sie hingehören mochten.
Dem Sinn ftir Handwerklich-künstlerisches dankte Frey die bedeutendste,
ja wohl die einzige wissenschaftliche Entdeckung, die er machte. Er hat
2s
gehaucht hatten; kein Nachbar hatte ein völlig gleiches Stück, denn wo
tzandarbeit am Werke ist, verlassen nie zwei ununterscheidbare Eegenstände
die Werkstatt. Der Hausrat trug mehr als heute das Gepräge derer, die
er umgab, denn die Auswahl der Dinge unterlag mehr ihrem Willen. Ein
Leben ward geführt, das uns Iüngeren schon schwer vorstellbar ist; Äber»
lieferung beherrschte den Geist, das innere Auge überblickte nur enge
Horizonte des öffentlichen Lebens, diese aber waren dem Manne wahr-
hast vertraut, langsam rann die Zeit, von der viele Stunden der Muße,
der Natur, der Versenkung, der Geselligkeit gewidmet werden konnten,
ohne daß der Erwerb litt. Seltsam still war es, da die Interessenten, die
Vereine, die Massenveranstaltungen, die Industrie, die Parteien, die Zei-
tungen, die Reklame, die große Zweck- und Rechenhaftigkeit noch nicht
lärmten. Raum war für den Bürger, den Bauern, den Seßhaften auf der
Erde, die noch nicht unter Äbervölkerung seufzte.
Dieser Zeit entstammte Adolf Frey. Wir wissen nicht, ob er sie geliebt
hat; vielleicht, wahrscheinlich war er als Staatsbürger und Wirtschaftmensch
ihr entfremdet wie wir, 'zumal er unsicheren und ärmlichen Verhältnissen
entstammte. Gewiß hat er als Denker und Kenner ihre Nachtseiten und
ihre Äberlebtheit gekannt und beurteilt wie wir. Sicher hat er als Historiker
und Völkerkenner weit und klar über ihren Amkreis hinausgeblickt. Als
Gestalter aber war er ihr verhaftet und hat er bis zuletzt ihr Erbe in sich
getragen. In allen seinen Arbeiten hat er etwas vom „Meister" älterer
Tage; er wirft nicht Gedanken flüchtig hin, läßt nicht Gefühlen unachtsam
freien Lauf, hält nicht „Impressionen" fest, schreit, lärmt, schluchzt nnd giert
nicht. Anderseits: nicht einmal in der wissenschaftlichen Arbeit genügt
ihm bloße Folgerichtigkeit und Vollständigkeit, Sachlichkeit und Eindring-
lichkeit. Äberall ist sein Schaffen besonnene, materialkundige, auf Reife
und Ausgewogenheit, auf stillen Glanz und ungebrochenes inneres Leben
ausgehende „Arbeit"; Kunsthandwerk jedoch, nicht etwa rationalistisches
Zusammenfügen; immer zum guten, oft zum sehr großen Teil dem Instinkt,
der Intuition im Kern verdankt und trotz aller Fertigungmühe von leb-
haften Intuitionen, echter Einfühlung, echtem Nacherlebnis, echtem Er°
leben zeugend. Mit all diesen Worten sprechen wir zugleich von seinen
Dichtungen und von seinen wissenschaftlichen Schristen. Sie tragen diesen
Zug gleicherweise. Er hat ihn selbst gekannt. Als ihm einmal cin gar
nicht bedeutender, aber stilecht „moderner" Roman gesandt wurde, schrieb er
dem Verfasser höflich, achtungvoll, nicht ohne Äberschätzung darüber; er
selbst, so meinte er, werde dergleichen niemals auch nur von ferne zustande
bringen, und das imponiere einem doch immer. Vor etlichen Iahren
ließ er einen Aufsatz erscheinen, in dem er das Wesen des poetischen
„Motivs" behandelte; ein bestimmter, klar faßbarer, griffiger Anlaß schien
ihm besonders wesentlich für ein Gedicht. Ein Anlaß, den man breiter oder
knapper, zarter oder gröber, in Stanzen oder in Blankversen „behandeln"
müsse; ein Anlaß, der keimen und treiben könne und sich zu andern füge oder
andre abwehre. Die Neueren und Neuesten haben keinen Sinn für das
„Motiv", so fühlte er; Stimmungen, Gereiztheiten, Äberreiztheiten, Auf-
gewühltheiten kannte er, aber er schuf nicht aus ihnen heraus, sondern
„verwertete" sie, wo sie hingehören mochten.
Dem Sinn ftir Handwerklich-künstlerisches dankte Frey die bedeutendste,
ja wohl die einzige wissenschaftliche Entdeckung, die er machte. Er hat
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