Was nach dem Dreißigjährigen Krieg möglich war und wirklich wurde,
eine Wiedergeburt aus Not und tiefer Frömmigkeit, das wäre jetzt nicht
mehr möglich. Was würde dies besagen? Daß wir aus der Linie der
Schöpfung ausscheiden. Daß wir für die wesentliche Zukunft der Mensch-
heit nicht mehr in Betracht kommen. Wohl, so versetzen Sie sich, um das
Vertraueu trotz allem zu behalten, in die Seele eines, der sich neben die
Welt gestellt hat, der sie betrachtet mit dem Blicke — gewiß eines Lieben-
den, aber doch eines Liebenden, der diese ihre wesentliche Zukunft und
den Weg zu ihr liebt und nur sie. Diese Stellung geziemt uns.
„Müßte nicht gerade einen solchen die tiefste Verzweiflung ergreifen,
wenn er mit hellen Augen deu Abweg beschritten sieht? Da es doch nun
einmal sein Volk ist, das ihn beschreitet."
Trauer — ja, „Verzweiflung" — nein. Wer ganz und gar nur das
Wesentliche liebt in einem Volkstum, dem ist auch der Autergaug des
eigenen Volkstums nicht das Ende. Es ist schwer, darüber zu sprechen
unter Menschen, die ihr Volk so lieben, wie wir es tun. Dennoch, es
bleibt dabei: auch das Volkstum kann uns nicht das Ende der Wege der
Welt sein. So wenig, daß, wenn wir uns überzeugen müßten, unser
Volk sei in seiner wesentlichen Aufgabe für die Menschheit nicht mehr zu
halten, wir uns gezwungen sehen müßten, innerlich ja zu sagen zum
Antergang unsres eigenen Volkes.
„Auf solche Glieder wird ein Volk gern verzichten!"
Darin würde ich kein gutes Zeichen für das Volk sehen. Denn ich
glaube, daß seine Zukunft auf denjenigen seiner Glieder ruht, die ihm
Zukunft sind, und die müssen wohl ein Wertmaß in sich tragen, das über
das Volk, wie es ist, hinaus liegt. Nur wer ganz Mensch ist, kann ein
wertvolles Glied seines Volkes sein. Im übrigen, was mich angeht, so
wissen Sie ja, daß ich unser Volk noch nicht da sehe, wo diese letzte
Betrachtung es hinstellt. Ich sagte nur: wenn wir es so sähen, daß
auch diese Not es aus der Veräußerlichung und Veroberflächlichung nicht
mehr herausreißen könnte. Aber Sie erinnern sich, daß ich es nicht so sehe.
„And wie sehen Sie es?"
Als wir vor hundert Iahren den ähnlichen Zusammenbruch erlebt hatten,
meinte Fichte, nun sei es Zeit, an die ganz innere Erneuerung durch die
Erziehung eines neuen Menschengeschlechtes zu gehen. Hierdurch könnte
unser Volk nicht nur sich selbst aus den Wurzeln seiner Kraft erneuern,
sondern damit der Menschheit überhaupt ein Herz geben. Wenn überall
in unsern Kulturvölkern nur noch mechanisches Denken gelte, hier sei dann
ein Stück Menschheit, das das Leben noch als Leben eines Seelischen
sehe, das so die Aufgabe der Menschheit über den Verfall hinüberrette.
Schon Fichte dachte damals, daß es mit einer solchen Lehre und Welt-
anschauung allein uoch nicht getan sei. Es müsse eine lebendige Wirklich-
keit hingestellt werden. And so entwarf er seine neue Lrziehungslehre,
die noch heute allen großen Erziehern wie ein Ideal vorschwebt, dem
man sich nähern müsse. Wir gehen heute im Bewußtsein der Vorbedin-
gungen noch weiter, wie ja leider auch die mechanisierenden Kräfte weiter
gearbeitet haben seit damals. Denn damals war Deutschland noch ge-
sundes Bauernland. Die unser Denken völlig mechanisierende Maschinen-
herrlichkeit — die Tochter selbst erst eines sich immer mehr rationalisierenden
und mechanisierenden Denkens — wurde erst inzwischen so groß. Für
uns also handelt es sich nicht mehr nur um Neumachung der Menschen
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eine Wiedergeburt aus Not und tiefer Frömmigkeit, das wäre jetzt nicht
mehr möglich. Was würde dies besagen? Daß wir aus der Linie der
Schöpfung ausscheiden. Daß wir für die wesentliche Zukunft der Mensch-
heit nicht mehr in Betracht kommen. Wohl, so versetzen Sie sich, um das
Vertraueu trotz allem zu behalten, in die Seele eines, der sich neben die
Welt gestellt hat, der sie betrachtet mit dem Blicke — gewiß eines Lieben-
den, aber doch eines Liebenden, der diese ihre wesentliche Zukunft und
den Weg zu ihr liebt und nur sie. Diese Stellung geziemt uns.
„Müßte nicht gerade einen solchen die tiefste Verzweiflung ergreifen,
wenn er mit hellen Augen deu Abweg beschritten sieht? Da es doch nun
einmal sein Volk ist, das ihn beschreitet."
Trauer — ja, „Verzweiflung" — nein. Wer ganz und gar nur das
Wesentliche liebt in einem Volkstum, dem ist auch der Autergaug des
eigenen Volkstums nicht das Ende. Es ist schwer, darüber zu sprechen
unter Menschen, die ihr Volk so lieben, wie wir es tun. Dennoch, es
bleibt dabei: auch das Volkstum kann uns nicht das Ende der Wege der
Welt sein. So wenig, daß, wenn wir uns überzeugen müßten, unser
Volk sei in seiner wesentlichen Aufgabe für die Menschheit nicht mehr zu
halten, wir uns gezwungen sehen müßten, innerlich ja zu sagen zum
Antergang unsres eigenen Volkes.
„Auf solche Glieder wird ein Volk gern verzichten!"
Darin würde ich kein gutes Zeichen für das Volk sehen. Denn ich
glaube, daß seine Zukunft auf denjenigen seiner Glieder ruht, die ihm
Zukunft sind, und die müssen wohl ein Wertmaß in sich tragen, das über
das Volk, wie es ist, hinaus liegt. Nur wer ganz Mensch ist, kann ein
wertvolles Glied seines Volkes sein. Im übrigen, was mich angeht, so
wissen Sie ja, daß ich unser Volk noch nicht da sehe, wo diese letzte
Betrachtung es hinstellt. Ich sagte nur: wenn wir es so sähen, daß
auch diese Not es aus der Veräußerlichung und Veroberflächlichung nicht
mehr herausreißen könnte. Aber Sie erinnern sich, daß ich es nicht so sehe.
„And wie sehen Sie es?"
Als wir vor hundert Iahren den ähnlichen Zusammenbruch erlebt hatten,
meinte Fichte, nun sei es Zeit, an die ganz innere Erneuerung durch die
Erziehung eines neuen Menschengeschlechtes zu gehen. Hierdurch könnte
unser Volk nicht nur sich selbst aus den Wurzeln seiner Kraft erneuern,
sondern damit der Menschheit überhaupt ein Herz geben. Wenn überall
in unsern Kulturvölkern nur noch mechanisches Denken gelte, hier sei dann
ein Stück Menschheit, das das Leben noch als Leben eines Seelischen
sehe, das so die Aufgabe der Menschheit über den Verfall hinüberrette.
Schon Fichte dachte damals, daß es mit einer solchen Lehre und Welt-
anschauung allein uoch nicht getan sei. Es müsse eine lebendige Wirklich-
keit hingestellt werden. And so entwarf er seine neue Lrziehungslehre,
die noch heute allen großen Erziehern wie ein Ideal vorschwebt, dem
man sich nähern müsse. Wir gehen heute im Bewußtsein der Vorbedin-
gungen noch weiter, wie ja leider auch die mechanisierenden Kräfte weiter
gearbeitet haben seit damals. Denn damals war Deutschland noch ge-
sundes Bauernland. Die unser Denken völlig mechanisierende Maschinen-
herrlichkeit — die Tochter selbst erst eines sich immer mehr rationalisierenden
und mechanisierenden Denkens — wurde erst inzwischen so groß. Für
uns also handelt es sich nicht mehr nur um Neumachung der Menschen
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