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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

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Heft 14 (2. Aprilheft 1920)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0100

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geborener Erzähler auf den Plan. Sie wurden noch im selben Iahr in
Buchform gedruckt, leider in einem kleinen Stuttgarter Verlag und unter
dem nicht gut gewählten Titel „Genzianen", was ihren Erfolg beeinträch-
tigte. Nicht lang zuvor war bei tzallberger ein kleines Bändchen Ge-
dichte erfchienen, zwar als Sammlung etwas verfrüht, weil es die lyrischen
Züge des Verfafsers noch nicht klar genug ausprägte, aber fchon einige seiner
schönsteu Stücke enthaltend. Indessen hatte der ungestüm Vorwärtsdrängende
bereits nach breiteren Aufgaben gegriffen. Der Plan zu dem ersten großen
Roman „tzeinrich Roller" war gefaßt und die Studien dazu schon begonnen.
Der Dichter arbeitete in jenen heiteren Tagen so leicht, daß er im Vollgefühl
seiner Schaffenskraft dieses Werk nur als Vorstufe ansah, bei der er sich
nicht lange aufzuhalten gedachte, denn heimlich stand fein Sinn nach den
dramatifchen Lorbeern; ein „Konradin", für den er seine beste Kraft ein-
fetzeu wollte, schwebte ihm damals vor der Seele. Ob er sich hierüber
täuschte, wer darf das zu entscheiden wagen? Iedenfalls wird niemand,
der sich gewisser Szenen der „tzeimatjahre" oder des „Sonnenwirts" er°
innert, dem Verfasser die tragische Gewalt absprechen, wenn auch diese
Romane gerade den geborenen Epiker kennzeichnen. Unterdessen aber wollte
er mit seinem ersten Roman nur rasch der engeren tzeimat einen Tribut
im Geiste des von ihm hochverehrten Walter Scott darbringen, bevor er
weiterginge. Er ahnte damals noch nicht die innere Tragweite der Aus-
gabe, die er sich gestellt hatte; uoch weniger ahnte er, was dieser Tribut
ihn kosten, wie lang diese Stufe ihn durch elende, rein äußere, aber schick-
salsvolle tzemmungen festhalten sollte. Mit dem „tzeinrich Roller", der
unter seinem späteren Titel „Schillsrs tzeimatjahre" bekannt ist, begann
des Dichters Passionsweg. tzätte er voraussehen können, daß ihm das
Manuskript des ersten Bandes im Schreibtisch vergilben sollte, bevor das
Buch nach sechs vollen Iahren die Presse sah, er hätte nie die Feder dafür
eingetaucht, und freilich wäre dann der Genius des Schwabenlandes um
sein schönstes, sonnigstes Stück tzeimatpoesie änner. Die Schmerzens-
geschichte dieses Romans ist oft genug erzählt worden, denn sie ist zugleich
selber ein Stück schwäbischer Kulturgeschichte, freilich ein trauriges, und
ich ließe am liebsten den Schleier darüber fallen, läge nicht gerade hier
der Schlüssel zum ganzen späteren Leben nreines Vaters. Denn was sich
nachmals von Mißlingen und äußerem Unheil an seine Fersen heftete,
hat hier seinen Anfang und Ursprung.

tzerr von Cotta, der damalige Monarch des Buchhandels, hatte sich
durch Gustav Schwab um das fesselnde Manuskript selber beworben; er
billigte den ihm vorgelegten Plan des Ganzen und gewährte dem jungen
Verfasser eine halbjährige Pension als Vorschuß. In dem hochgelegenen
reizenden Buoch, angesichts der geliebten Albkette, wo Rudolf Kausler
bei seinem Onkel, dem Pfarrer Reinfelder, das Vikariat versah, ließ tzer-
mann Kurz sich mit seiner Arbeit nieder. Abwechselnd dort und in Stutt-
gart oder auch in dem nahe von Buoch gelegenen Winnenden bei Kaus-
lers Angehörigen schrieb er mit Feuer die ersten Kapitel seines Romans,
die gleich probeweise im „Morgenblatt" gedrnckt wnrden und lebhafte Er-
wartungen erregten. Der Roman brauchte nur fertig zu erscheinen, und
die Tafel des Lebens war für den jungen Dichter aufs glänzendste ge-
deckt. Allein sein böser Genius hatte es anders beschlossen.

Als das erste Buch des „tzeinrich Roller" vollendet war, geschah das
Unglaubliche, daß Cotta den Verlag nachträglich ablehnte; einen schrift-

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