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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI issue:
Heft 15 (1. Maiheft  1920)
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Hans Pfitzners Bekenntnis
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0139

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Verwesung! Und es ist nicht anders: Eine Scheidung, eine reinliche, bewusste
Scheidung muß stattfinden, die das festlegt, was schon eigentlich ist. Was wird,
weiß man nicht. Der schlimmste Pessimist hätte national diese Schmach, die
unseren Antergang als Nation und Staat begleitete, nicht vorausgesehen uird
geglaubt. Es kann also auch sein, daß die Musik die Wege geht, die Herr
Bekker als Fuhrer einer großen, ähnlichen Strömung in der Kunst will,
und daß die Klassikerköpfe im Pantheon deutscher Musik in zweihundert Iahren
mehr östliches Gepräge tragen. Das weiß man also nicht genau. Nber,
was i st, das weiß man doch. Arrd wer das nihilistische Geseire seiner Frank--
furter Zeitungslieblinge für die legitime Nachfolge der Werke Beethovens und
Wagners hält, der kann geschissen nicht von gemalt unterscheiden. — In der
Schmach und dem Frevel der Revolution erlebten wir mit Trauer, daß deutsche
Arbeiter, deutsches Bolk sich von russisch-jüdischen Verbrechern anführen ließen,
uird ihnen eine Begeisterung zollten, wie sie sie noch keinem ihrer deutschen
Helden und Wohltäter gönnten. In der Kunst erleben wir, daß ein deutscher
Maun aus dem Volke, von so scharfem Verstande und reichem Wissen, wie
Herr Bekker, der wohl geeignet wäre, einem sozialen Institute als künstlerisch-
organisatorischer Leiter vorzustehen, die international-jüdische Bewegung in der
Kunst leitet. Ich sage: international-jüdisch, meine also nicht die Iuden, als
Individuen. Es ist ein Anterschied zwischen Iude und Iudentum. Der Grenz»
strich der Scheidung in Deutschland geht nicht zwischen Iude und Nichtjude,
souderu zwischen deutsch-national empfindend und international empfindend.
Ich selbst kenne eine ganze Anzahl Iuden und weiß indirekt von vielen anderen,
die so deutsch, national und ehrenhaft empfinden, wie es nur gewünscht werden
kann, und die ihre Pflicht im Kriege wie zu Hause voll ersüllt habeu; und
umgekehrt von leider allzuvielen Deutschen, die gegenüber Deutschland inter-
nationaler, ja antinationaler empfinden, als es Fremde und Feinde tun, und
denen ich die Lehre gönnte, die Aristan in der »Hermannsschlacht« erfährt.
Aber das Iudentum ist ein gefährliches Rätsel. Wagners ernste, liebevolle
und tapfere Schrift hat ihm in Deutschland bei den Deutschen fast nur Hohn
und Haß eingetragen, wogegen er bei den Iuden, den ernsten und ehrlichen,
wohl verstanden wird. Ia, die fast prophetischen Schlußworte sind schon in
manchen bedeutsamen Fällen Realität geworden: es gibt Iuden, mit denen wir
»einig und ununterschieden« sind." „Der Sprung auf die Politik ist nur ein
scheinbarer: ich rede von demselben Dinge: vom nationalen Lebcn,
was für manche Menschen das Leben überhaupt bedcutet. Die künstlerische Ver-
wesung ist das Shmptom der nationalen. Die nationale Kunst ist im Organismus
des Volkskörpers der edelste Teil. Sage mir, welche Kunst im Volke gedeiht,
und ich will dir sagen, wie der Gesundheitszustand des Volkes ist." „Wir aber
sind jetzt auf einem Tiefpunkt des Geschmacks angekommen, wie ihn wohl noch
nie ein großes Volk aufzuweisen hatte. Herrschend sind übelster Snobismus
und pöbelhafte Gemeinheit. Musik wird als Musik nicht mehr gehört, in
dcr Oper schon gar nicht mehr. Die Intendanten der beiden größten Opern-
institute der deutschredenden Welt, Hülsen und Gregor, pflegten die Musik einer
Oper gar nicht erst prüfen zu lassen, wenn ihnen der Text nicht gefiel, also
wenn er nicht roh genug war. Welche Wirkung mußte dies zeitigen! Stille
Musik wird gar nicht mehr geschrieben: die Klaviersonate stirbt aus. Wer heute
sagt, daß er ein Lied von Adolf Iensen schön findet, blamiert sich. Aber den
irrenhäuslerischen Kitsch eines Chrill Scott oder anderer Futuristen nimmt
man emst. Nicht, daß freche und schamlose Spekulation ein Ding wie das
»Dreimäderlhaus« entstehen ließ, ist das Verfalls- und Verwesungssymptom -
das kommt immer mal vor —, aber daß es solchen Boden in Deutschland
finden konnte. Deswegen hat es auch gar keinen Sinn, gegen dergleichen zu
agitiercn; zwar ist es dennoch eine Schande, daß es nicht von Staats wegen
verboten ist; aber das Shmptom einer tiefsten Gemeinheit bleibt, zu der eine
Natiou herabgesunken ist, die einen der. edelsten Söhne, den sie erst hat an
seinen Melodien verhungcrn lassen, in einer schmutzigen Pastete gebacken srißt.'
 
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