erschrocken, daß er nichts taugen solle, denn er sah nichts vom Gewebe;
aber er beschloß, es lieber nicht zu sagen, und so lobte er die Kleider sehr.
Alle, dic der Kaiser darnach hinsandte, Beamte, Gelehrte und nntergebene
Diener, lobten die Kleider, die sie nicht sahen, und einige brachten es so
weit, daß sie selbst glaubten, entschieden eine Art leichten Schein zu er-
kennen. Als endlich der Kaiser selbst hinging, lobte er die Kleider aus-
nehmend. Zum Schluß wurde eine Prozession beschlossen; denn seder
wollte sehen, wie dumm sein Nachbar wäre, und jeder sah voll Staunen
den Kaiser ohne Kleider unter dem feierlichen Baldachin durch die Straßen
wandeln. Ieder sah seinen Nachbarn an und lobte die Kleider. „Aber
er ist ja nackend!" sagte plötzlich ganz laut ein kleines Kind. „Herr Gott!
hört der Unschuldigen Stimme!" sagte der Vater, und der eine zischelte
dem andern zu, was das Kind gesagt hatte, bis ein Volksgemurmel draus
wurde: „Er ist ja nackend." Dem Kaiser schien es nun selbst so, aber er
schritt würdevoll weiter, bis er in seinen Palast verschwinden konnte, um
gewöhnliche Kleider anzuziehen.
Wir haben die große Idee der allein wohlsein- und glückbefördernden
Maschinenarbeit. Sie hält große und mächtige Partcien in lhrem Bann
und hat im Grunde das ganze Volk durchdrungen. Ob der Mensch bei
dieser Arbeit noch Mensch bleibt, das scheint gleichgültig.
Diese Idee rüstet sich, ihre Konsequenzen zu ziehen, und kann deshalb,
wie die Behauptung lautet, nicht aufgehalten werden.
Sollte es wirklich so sein? Diese Konsequenzen, wenn man aufrichtig
sein will, müßten eine Nmwandlung des Menschengeschlechts von innen
her in der Richtung des Taylorsystems herbeiführen und damit schließlich
dis Individuen nach ihrer vererbbaren Lignung für bestimmte Teile des
Arbeitsprozesses auch physisch differenzieren. Das ist im Ameisenstaat,
im Bienenstaat und in andern Tierstaaten vorgebildet, die darum auch in
unsrer Zeit merkwürdigerweise — wohlgemerkt: als Vorbilder menschlicher
Ordnungen! mehr Bewunderung als entsetztes Grauen zu erwecken
pflegen.
Sind wir so weit? Ich hoffe nein. Bisher ist der Ablauf der Ideen
aus Menschenboden anders vor sich gegangen.
Nämlich eine Idee, wenn sie eine rechtschaffene Idee ist und des Namens
wert, ist freilich zunächst stets aus dringlicher Wirklichkeit geboren, wirk-
lichkeitgetränkt, wirklichkeitnah. Aber die Wirklichkeit ist kugelrund wie
die Erde, und eine Idee, die ihre Konsequenzen zieht, ist wie eine gerade
Linie, welche die Krümmung nicht mitmacht. Sie gleicht dann nicht mehr
einem Gewächs der Erde, sondern dem Kometen, der eine Zeit ihren Dunst-
kreis berührt und verschwindet.
Wir haben mehrere solche Ideen ihre Konsequenzen ziehen sehen. Wir
sahen die Sklavenarbeit ihre Konsequenzen ziehen und verschwinden. Wir
sahen den Feudalismus seine Konsequenzen ziehen und verschwinden. Ie
mehr ein solcher Zeitgedanke seine Konsequenzen zieht, desto wirklichkeit-
ferner wird er; desto mehr nähert er sich solchen gespenstischen Dingen, wie
es das ausgeführte und in vererbten Berufseignungen befestigte Taylor-
system sein würde. Desto mehr aber nähert er sich auch in der bisherigen
Menschheitsgeschichte jener phantastischen Märchenwelt, in der das Kind
auf der Straße wirklichkeitsicherer wird als der Gelehrte.
So unsre konsequente Idee. Und der Mann auf der Straße beginnt
aufzumerken: „Aber es ist ja nicht so! es ist ja bisher auf diesem Wege
aber er beschloß, es lieber nicht zu sagen, und so lobte er die Kleider sehr.
Alle, dic der Kaiser darnach hinsandte, Beamte, Gelehrte und nntergebene
Diener, lobten die Kleider, die sie nicht sahen, und einige brachten es so
weit, daß sie selbst glaubten, entschieden eine Art leichten Schein zu er-
kennen. Als endlich der Kaiser selbst hinging, lobte er die Kleider aus-
nehmend. Zum Schluß wurde eine Prozession beschlossen; denn seder
wollte sehen, wie dumm sein Nachbar wäre, und jeder sah voll Staunen
den Kaiser ohne Kleider unter dem feierlichen Baldachin durch die Straßen
wandeln. Ieder sah seinen Nachbarn an und lobte die Kleider. „Aber
er ist ja nackend!" sagte plötzlich ganz laut ein kleines Kind. „Herr Gott!
hört der Unschuldigen Stimme!" sagte der Vater, und der eine zischelte
dem andern zu, was das Kind gesagt hatte, bis ein Volksgemurmel draus
wurde: „Er ist ja nackend." Dem Kaiser schien es nun selbst so, aber er
schritt würdevoll weiter, bis er in seinen Palast verschwinden konnte, um
gewöhnliche Kleider anzuziehen.
Wir haben die große Idee der allein wohlsein- und glückbefördernden
Maschinenarbeit. Sie hält große und mächtige Partcien in lhrem Bann
und hat im Grunde das ganze Volk durchdrungen. Ob der Mensch bei
dieser Arbeit noch Mensch bleibt, das scheint gleichgültig.
Diese Idee rüstet sich, ihre Konsequenzen zu ziehen, und kann deshalb,
wie die Behauptung lautet, nicht aufgehalten werden.
Sollte es wirklich so sein? Diese Konsequenzen, wenn man aufrichtig
sein will, müßten eine Nmwandlung des Menschengeschlechts von innen
her in der Richtung des Taylorsystems herbeiführen und damit schließlich
dis Individuen nach ihrer vererbbaren Lignung für bestimmte Teile des
Arbeitsprozesses auch physisch differenzieren. Das ist im Ameisenstaat,
im Bienenstaat und in andern Tierstaaten vorgebildet, die darum auch in
unsrer Zeit merkwürdigerweise — wohlgemerkt: als Vorbilder menschlicher
Ordnungen! mehr Bewunderung als entsetztes Grauen zu erwecken
pflegen.
Sind wir so weit? Ich hoffe nein. Bisher ist der Ablauf der Ideen
aus Menschenboden anders vor sich gegangen.
Nämlich eine Idee, wenn sie eine rechtschaffene Idee ist und des Namens
wert, ist freilich zunächst stets aus dringlicher Wirklichkeit geboren, wirk-
lichkeitgetränkt, wirklichkeitnah. Aber die Wirklichkeit ist kugelrund wie
die Erde, und eine Idee, die ihre Konsequenzen zieht, ist wie eine gerade
Linie, welche die Krümmung nicht mitmacht. Sie gleicht dann nicht mehr
einem Gewächs der Erde, sondern dem Kometen, der eine Zeit ihren Dunst-
kreis berührt und verschwindet.
Wir haben mehrere solche Ideen ihre Konsequenzen ziehen sehen. Wir
sahen die Sklavenarbeit ihre Konsequenzen ziehen und verschwinden. Wir
sahen den Feudalismus seine Konsequenzen ziehen und verschwinden. Ie
mehr ein solcher Zeitgedanke seine Konsequenzen zieht, desto wirklichkeit-
ferner wird er; desto mehr nähert er sich solchen gespenstischen Dingen, wie
es das ausgeführte und in vererbten Berufseignungen befestigte Taylor-
system sein würde. Desto mehr aber nähert er sich auch in der bisherigen
Menschheitsgeschichte jener phantastischen Märchenwelt, in der das Kind
auf der Straße wirklichkeitsicherer wird als der Gelehrte.
So unsre konsequente Idee. Und der Mann auf der Straße beginnt
aufzumerken: „Aber es ist ja nicht so! es ist ja bisher auf diesem Wege