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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 20 (Augustheft 1920)
DOI Artikel:
Schumann, Wolfgang: Entgiftung, 2: Die Presse, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0407

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den für ihn unentbehrlichen handelsteil brauchbar. Dieser Fall ist typisch.
Trotz der linrnenge der Zeitungen kann heute die überwiegende Mehrzahl
der Zeitungleser kein Blatt finden, das zugleich grundsätzlich zusagt
uiid auch sonst das Erwünschte bietet — das beweisen nicht allein,
aber beispielweise auch die „Zeitungsputsche" von W9- Woran liegt
das? Daran, daß die Zeitungen wirtschaftlich nicht unter
gleichen Bedingungen konkurrieren, daß sie nicht ösfentlich, sondern
privat „bewirtschaftet" sind. Eine Zeitung herzustellen mit guten Beilagen,
gutem Handelsteil, gutem Roman, guten auswärtigen Korrespondenten,
das kostet unvergleichlich viel mehr, als das Herstellen einer Zeitung
ohne solche Beigaben. Den Kapitalaufwand für eine solche Zeitung kann
sich nur ein reicher Unternehmer, eine reiche Partei, ihn kann sich
heute nur ein Millionär leisten. Der große Kapitalist hat also kraft seines
Geldbesitzes einen uneinholbaren „Vorsprung" vor jeder Konkurrenz.
And dieser Vorsprung hält zugleich eine politische Machtposition. Letzten
Endes das Geld sichert also seinem Blatt auch solche Leser, die dessen
Anschauungen nicht billigen, sie werden schließlich auf seine täglichen Ein--
flüsterungen schon irgendwie hören, wenn nur genügend geschickt „ge--
flüstert" wird; und dafür wird der Unternehmer schon sorgen, denn es
sind ja „seine" Angestellten, welche in seinem Auftrag die Leser zu be--
arbeiten haben. sUchd nicht nur gewaltiger politischer Einfluß ist da
käuflich, sondern geradezu ein ungreifbarer, aber tiefgehender psychischer
Zwang auf die Gesamtheit. Der „Vorsprung" ist tatsächlich in wichtigen
Fällen oft nicht einzuholen, denn mit Geldmitteln ist eine Partei, eine
einzelne Gruppe des Volkes, und sei sie noch so zisserstark, unter Umständen
Iahrzehnte hindurch nicht so gesegnet wie ein einzelner gegnerischer Unter-
nehmer. Auch die große ihr winkende Abonnentenziffer hilft nichts, denn
nicht die Abonnementgelder, sondern die Inserateinnahmen bringen die
Kosten ein, und Inserate kann man wieder nur mit Geld oder auf Grund
hoher Auflageziffern „werben". Heute aber und auf absehbare Zeit genügt
selbst ein ansehnlicher Kapitalbesitz nicht, um gegen eine bestehende geg-
nerische Zeitung eine „Konkurrenz" aufzumachen, denn man kann für
Neugründungen weder Gebäude, noch Papier, noch Maschinen in aus--
reichendem Waße finden. Man kann nur alte bestehende Zeitungen
kaufen, und zwar zu unerhörten Preisen. Die bestehenden Zeitungen haben
für vielleicht ein Iahrzehnt oder länger Monopol stellungen inne. Diese
Lage macht sich bekanntlich eine Gruppe von schwerreichen, politisch und
wirtschaftlich interessierten Kapitalisten zunutze: seit etwa einem Iahr hört
man fast jeden Monat, daß diese Gruppe wieder eine große, einflußreiche
Zeitung mit allen Beständen gekauft habe. Schneller oder langsamer
werden danu die Redakteure entlassen, soweit das den neuen Machthabern
zweckmäßig scheint, die Abonnenten sind dagegen machtlos. Wir stehen
tatsächlich vor der Gefahr, daß eine einzige winzige Minderheit reicher
Interessenpolitiker bald die Hälfte aller großen einslußreichen Zeitungen
Deutschlands mit allen deren „Vorsprüngen", Lockmitteln und geistigen
Machtmitteln, wie der Amerikaner sagt: „kontrolliert", wie wir ohne
Scheu sagen wollen: beherrscht. Und welche Rechtsbestimmung hin--
derte diese Gruppe, weiterzugehen und auch noch die Mehrzahl der Papier--
fabriken dazuzukaufen, gegnerischen Zeitungen sogar den Papierbezug zu
beengen oder zu sperren? Wir sind auf dem Wege dazu, daß sich neben
der Regierung, neben den Parteien eine inländische „Großmacht" auftut,

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