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Kunstwart und Kulturwart — 33,3.1920

DOI Heft:
Heft 21 (Septemberheft 1920)
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Avenarius, Ferdinand: Reichsadler, Reichskunst usw. oder: Woher kommen die Mißerfolge?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14991#0471

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von nahe Beteiligten absehe, so gut wie einstimmig abgelehnt. Den Ans-
druck des Starken, Festen, Selbstbewußten finde ich in den Zu-schriften
so gut wie nirgendwo anerkannt. Am allgemeinsten ist die Behauptung:
der Adler jüdele, er jüdele mit der Kopfhaltung, mit den Augen, sogar mit
den Klauen. Ich bekenne: es schien auch mir so, und ganz spontan: ich
habe, als ich den ersten Abdruck zugeschickt erhielt, dem Einsender ge-
schrieben: Das könne nicht empfohlen sein, da stecke wohl ein antisemiti-
scher Spaß dahinter. Sehr verbreitet ist auch die Deutung vom „er-
schrockenen Papageien mit Krebsschwanz", überhaupt die Betonung der

Einer der wilhelminischen Reichsadler
mit phrasenhaft leerem Linienprnnk

Neuer Entwurf von
Doepler d. I.

Schreckstellung. Ach nein, der Ausdruck dieses Entwurfs ist schlechter-
dings unmöglich. Daß man bei den maßgebenden Stellen diese ganze Aus-
drucksfrage so nebensächlich behandelt, überrascht bei der Richtung des
neuesten Kunstbetriebes nicht — hier wirkt dieselbe Unterschätzung des
Seelischen, des Gehaltes mit, der wir auch sonst immer wieder begegnen.
An der großen Gegnerschaft, die sich hier aus weiten Kreisen erhebt, zeigt
sich aber, wie klein an Zahl im Grunde die Gefolgschaft derjenigen Kunst-
kritiker ist, die den Ausdruck eines andern seelischen Gehalts, als den
aus denr Artistischen her, für nebensächlich halten.

Im Falle des Adlers ist ja noch nichts verfehlt. Nehmt die graphische
Anregung des Reichskunstwarts als solche auf, ihr Künstler, soweit sie
euch gefällt. Aber gestaltet den Adler nach Technik und Aufgabe von
Fall zu Fall und gebt ihm den Ausdruch, Ler euch entspricht!

^VB^it dieser Bitte iin Sinne der Reichskunstwartei könnten unsre kleinen
^^Betrachtungen über ihre Adler-Arbeit schließen, wenn man nicht die
Hintergründe mit beachten sollte, aus denen jede Erscheinung tritt. Ich
denke an das, was man den „Zeitgeist unsres Kunstbetriebs" nennen
könnte. Iede Zeit hat ja nicht nur ihre Erkenutnisse, sondern auch ihre
Suggestionen, und Aufsuggeriertes wäre nicht ordentlich aufsuggeriert, wenn
es selber sich nicht für Erkenntnis hielte. Bestimmen „Erkenntnisse" von
solcher Art nicht auch gegenwärtig das „Gesicht der Tat"? Was wirkt
 
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