neutralen Instrument solcher Erscheinungen. Mit dem Zurückdrängen der
Form verschwindet zugleich die Bedeutung des konkreten Ranmgesühls,
und ein unbestimmter Raumbegriff, der sich dem Zweidimensionalen nähert,
tritt an die Stelle. Das gibt, in bestiminte Persönlichkeiten umgesetzt, die selt-
samste Gesellschaft." Gerade die ueueste Malerei zeigt die Erscheinungen, die
man als architektonisch-dekorativ empfindet, besonders deutlich, nämlich die
Lntwirklichung des bildlichen Raumes, die Abbreviatur der räumlichen Be-
ziehungen, „so daß etwa nur noch der unmittelbare Vordergrund und
— unter Ausschaltung des Mittelgrundes — der Hintergrund eine Rolle
spielt, ferner eine stark rhythmische Linienführung und eine Farbe, die
ihre Wirkung bereits ausübtz ehe das Gegenständliche des Bildes in Be-
tracht kommt". „So seltsam es im ersten Augenblick klingen mag, im
architektonischen Kunstwerk schafft der Mensch vielleicht am unmittelbarsten
ein Etwas nach seinem Bilde", d. h. — nach dem Bild der inneren Kräfte,
aus denen unser Menschentum geheimnisvoll aufgebaut ist. Anser
rhythmisches und unser dynamisches Gefühl verlegen wir in den
Organismus des Bauwerks, das Abstrakt-Geistige und das Organisch-Sinn-
liche unserer Doppelnatur spiegelt es wider in seiner wechselnden Betonung
des struktiven und des dekorativen Gedankens, der hier die Macht des
Ausdrucks, dort seine Schönheit verdeutlicht. „In Wahrheit ist das,
was wir als Umsturz iu der Kunst empfinden, nur eine Richtungsänderung
in der Pendelbewegung, die unablässig zwischen dem Geistig-Abstrakten
und dem Sinnlich-Organischen sich hin- und herbewegt."
^)um Schluß folgt ein besonderes Kapitel: Unser k ü n st l e r i s ch e s
OBerhältnis zum Auslande. Dem Deutschen wird sein lächer-
licher, unhistorischer Purismus vorgeworfen, den Franzosen ihre Priori-
tätenschnüffelei, die einen ihrer Kunstgelehrten dazu verführte, der deut-
schen Baukunst jegliche Originalität abzusprechen und verallgemeinernd zu
behaupten, wir hätten in der Kunst „rien invente", als wenn es darauf
ankäme, w o zuerst eine romanische Mrche zwei Apsiden zeigte nnd nicht
vielmehr, wie im einzelnen Fall aus diesem Gedanken etwas Künstlerisches
gemacht wurde. „Das Schöpferische liegt überall in der Kunst in der
Art der Synthesen gegebener Elemente." Eine Gegenkritik der französischen
Baukunst knüpft Schumacher an die Pariser Weltausstellung von MO an,
deren Bauten allesamt vom Glanz der früheren höfischen Stile zehrten und
die Verbindnng mit den Forderungen der Gegenwart kaum ernsthaft zn suchen
schienen. „Man kann diese Forderungen in zwei neuen großen Aufgaben kreisen
sehen: der eine geht von neuen Baustoffen und damit von ueuen baulichen
Ausdrucksmitteln aus: die Lrscheinungen von Eisen und Eisenbeton mußten
in unsere Architektursprache eingegliedert werden; der andere geht aus
von neuen sozialen Verhältnissen: die ungeheure Rolle, die der arbeitende
Bürgerstand in der Großstadt zu spielen begann, bedurfte eines neuen
Architekturausdruckes in der Wohnung, in der Schule und in den zahlreichen
Bauten demokratischer Wohlfahrtseinrichtungen sür die Kultur des Körpers
und die Kultur des Geistes. — Von beiden sah man in Frankreich nichts."
Deutschland aber hat begonnen, sich auf diese neuen Forderungen und
damit auf sich selbst zu besinnen, nachdem es eine Zeitlang dem Einfluß der
englischen Hauskultur erlegen war. „Wir Deutschen haben im Iahrzehnt, das
diesem Kriege voranging, in Deutschland Ausstellungen geschaffen, wie sie kein
anderes Volk auch uur annähernd hinzustellen vermöchte. Wenn man am
geistigen Auge vorüberziehen läßt, was allein in München, Dresden,
Form verschwindet zugleich die Bedeutung des konkreten Ranmgesühls,
und ein unbestimmter Raumbegriff, der sich dem Zweidimensionalen nähert,
tritt an die Stelle. Das gibt, in bestiminte Persönlichkeiten umgesetzt, die selt-
samste Gesellschaft." Gerade die ueueste Malerei zeigt die Erscheinungen, die
man als architektonisch-dekorativ empfindet, besonders deutlich, nämlich die
Lntwirklichung des bildlichen Raumes, die Abbreviatur der räumlichen Be-
ziehungen, „so daß etwa nur noch der unmittelbare Vordergrund und
— unter Ausschaltung des Mittelgrundes — der Hintergrund eine Rolle
spielt, ferner eine stark rhythmische Linienführung und eine Farbe, die
ihre Wirkung bereits ausübtz ehe das Gegenständliche des Bildes in Be-
tracht kommt". „So seltsam es im ersten Augenblick klingen mag, im
architektonischen Kunstwerk schafft der Mensch vielleicht am unmittelbarsten
ein Etwas nach seinem Bilde", d. h. — nach dem Bild der inneren Kräfte,
aus denen unser Menschentum geheimnisvoll aufgebaut ist. Anser
rhythmisches und unser dynamisches Gefühl verlegen wir in den
Organismus des Bauwerks, das Abstrakt-Geistige und das Organisch-Sinn-
liche unserer Doppelnatur spiegelt es wider in seiner wechselnden Betonung
des struktiven und des dekorativen Gedankens, der hier die Macht des
Ausdrucks, dort seine Schönheit verdeutlicht. „In Wahrheit ist das,
was wir als Umsturz iu der Kunst empfinden, nur eine Richtungsänderung
in der Pendelbewegung, die unablässig zwischen dem Geistig-Abstrakten
und dem Sinnlich-Organischen sich hin- und herbewegt."
^)um Schluß folgt ein besonderes Kapitel: Unser k ü n st l e r i s ch e s
OBerhältnis zum Auslande. Dem Deutschen wird sein lächer-
licher, unhistorischer Purismus vorgeworfen, den Franzosen ihre Priori-
tätenschnüffelei, die einen ihrer Kunstgelehrten dazu verführte, der deut-
schen Baukunst jegliche Originalität abzusprechen und verallgemeinernd zu
behaupten, wir hätten in der Kunst „rien invente", als wenn es darauf
ankäme, w o zuerst eine romanische Mrche zwei Apsiden zeigte nnd nicht
vielmehr, wie im einzelnen Fall aus diesem Gedanken etwas Künstlerisches
gemacht wurde. „Das Schöpferische liegt überall in der Kunst in der
Art der Synthesen gegebener Elemente." Eine Gegenkritik der französischen
Baukunst knüpft Schumacher an die Pariser Weltausstellung von MO an,
deren Bauten allesamt vom Glanz der früheren höfischen Stile zehrten und
die Verbindnng mit den Forderungen der Gegenwart kaum ernsthaft zn suchen
schienen. „Man kann diese Forderungen in zwei neuen großen Aufgaben kreisen
sehen: der eine geht von neuen Baustoffen und damit von ueuen baulichen
Ausdrucksmitteln aus: die Lrscheinungen von Eisen und Eisenbeton mußten
in unsere Architektursprache eingegliedert werden; der andere geht aus
von neuen sozialen Verhältnissen: die ungeheure Rolle, die der arbeitende
Bürgerstand in der Großstadt zu spielen begann, bedurfte eines neuen
Architekturausdruckes in der Wohnung, in der Schule und in den zahlreichen
Bauten demokratischer Wohlfahrtseinrichtungen sür die Kultur des Körpers
und die Kultur des Geistes. — Von beiden sah man in Frankreich nichts."
Deutschland aber hat begonnen, sich auf diese neuen Forderungen und
damit auf sich selbst zu besinnen, nachdem es eine Zeitlang dem Einfluß der
englischen Hauskultur erlegen war. „Wir Deutschen haben im Iahrzehnt, das
diesem Kriege voranging, in Deutschland Ausstellungen geschaffen, wie sie kein
anderes Volk auch uur annähernd hinzustellen vermöchte. Wenn man am
geistigen Auge vorüberziehen läßt, was allein in München, Dresden,