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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Busse-Palma, Georg: Hassan und Abdullah
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0051

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Hassan und Abdullah
Eine Zirkusballade von Georg Busse-Palma

Stürmt es, wirbelt das Meer.
Schlag nicht das Wasser deswegen!
Schlug' es der Wind nicht so schwer,
Brauste es dir nicht entgegen.
— Also verschuldens der Wind? —
Knabe, treib' keinen Spott!
Wind ist des sausenden Erdballs Kind,
Und den Erdball lenkt Gott!
Schicksal und Wille, o Seele,
Keiner scheidet und trennt die zwei.
Schicksal ist die gestraffte Kehle
Und deine Tat nur der lösende Schrei.
Liebender du, und du Hasser,
Wolltet ihr wirklich, was ihr getan?
Ach! unser Wille ist biegsam wie Wasser.
Schlägt es der Wind, dann zerschlägt es den Kahn!
Helles Trompetensignal.
In die Arena tritt
Bambo, der Elefant, schwer mit wuchtigem Schritt.
Wie ein graues Gebirge steht er im Zirkuslicht,
Wackelt mit schlappen Ohren und macht ein schlaues Gesicht.
Purpurne Decken trägt er, ganz von Gold überblitzt.
Bambo, der borkige Riese, weiß, wer im Sattel sitzt!
Zierlich wirft seine Herrin allen den Handkuß-Gruß.
Zierlich biegt sie das Leibchen und wippt den winzigen Fuß.
Warme Sterne die Augen, rot und flaumig der Mund,
Edel gekrümmt das Näschen und die Wangen mondrund —
Jauchzen und Händeklatschen, Rosen fliegen über sie hin.
Es ist Franja, die schöne, Franja, die Tänzerin!
Franja ist heute Fürstin aus indischem Land.
Franja trägt einen Turban mit flammendem Diamant.
Goldüberbuckelte Brüste mit lustrotem Rubin,
Seidne Hosen mit Bildern auf Schenkeln und Knien,
Bilder aus farbigen Steinen und Perlstickerein.
Braun und nackt aus den goldenen Schuhn blüht schlank ihr Bein.
Prinzen in Scharlach, Trabanten in schimmernder Wehr,
Drängen sich bunt um ihr riesiges Reittier her.
Hassan und Abdullah treten vor sie zum Spiel.
Hassan wirft Messer, und Abdullah dient als Ziel.
Hassan hat feurige Augen und schwarzen Bart.
Abdullah ist noch ein Jüngling und glatt und zart.
Aber die Augen beider feuchten sich heiß,
Sehn sie auf Franja, die Tänzerin, und dann zittern sie leis.
Hassan und Abdullah sind zwei arabische Brüder.
Hassan erzog den Knaben und lehrte ihn Spiel und Lieder.
Und so hing auch der Jüngling an ihm als treustem Berater,
Sah den Bruder in ihm, den Freund, den Lehrer und Vater.
Blind vertrauend hat nie die Wimper er bange gebogen,
Wenn ihn auch Hassans Messer funkelnd umflogen.
Vor der fangenden Scheibe hockt er wieder im Sand.
Türkisch gekreuzt die Beine unter dem weißen Gewand.
Hassan prüft noch die Messer, fühlt an Griff und Stahl.
Plötzlich aber erbebt er in Schreck und Qual.
Blicke hat er gefangen, Blicke voll sündigem Glück!
Abdullah, glatter Knabe, wo lerntest du diesen Blick?
 
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