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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Heft 3 (November 1913)
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Koblanck, Alfred: Über Radium und Mesothorium und ihre Bedeutung für die Krebsbehandlung
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0429

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W Über Radium und Mesothorium und ihre Bedeutung W
W für die Krebsbehandlung. Von Prof. vr. Koblanck W

^^^^^ie Naturwissenschaft steht äugen-
blicklich unter dem Zeichen der
strahlenden Materie. In der Physik
und in der Chemie werden Dog-
men umgestoßen, die als un-
erschütterlich lange Zeit hindurch gegolten
haben. In der Medizin werden die Behand-
lungsarten vieler Krankheiten, und zwar der
schwersten, völlig geändert; die Krebskrank-
heit beginnt ihre Schrecken zu verlieren. Ja,
die Erwartungen und Hoffnungen werden
vielleicht zu hochgespannt, Arzt und Patient
müssen sich hüten, von den unsichtbaren Strah-
len geblendet zu werden.
Was sind das für wunderbare Substanzen,
die solche Wirkungen Hervorrufen?
Die Entdeckung der strahlenden Materie
durch den französischen Physiker Henri Becque-
rel knüpft sich unmittelbar an die Auffindung
der x - Strahlen durch Röntgen im Jahre 1896.
H. Becquerel ging, wie I. Becquerel an-
schaulich beschreibt, von der Tatsache aus,
daß die Entstehung der Röntgenstrahlen mit
dem Auftreten lebhafter Fluoreszenz ver-
knüpft ist. Er untersuchte daraufhin die
Fluoreszenz bekannter Körper, speziell der
Uransalze, näher. Kristallinische Plättchen
eines Uransalzes, die zur Erregung ihrer
Fluoreszenz einen Tag lang dem Sonnen-
licht ausgesetzt waren, legte er auf eine ver-
schlossene photographische Kassette und fand
bei der Entwicklung der Platte eine deut-
liche Einwirkung auf derselben. Diese Wir-
kung schien jedoch nur auf der durch die
Sonne angeregten Fluoreszenz zu beruhen.
Becquerel war daher sehr erstaunt, daß auch
eine photographische Platte belichtet wurde,
als das Uransalz auf der verschlossenen Kas-
sette in seinem dunklen Schubfach gelegen
hatte. Er erkannte sofort, daß es sich nicht
um eine von außen zugeführte Eigenschaft
des Urans handelte, sondern daß das Metall
selbst Strahlen aussendet.
In demselben physikalischen Institut des
französischen Nationalmuseums wurden so-
dann weitere wichtige Entdeckungen gemacht.
Von diesen sei hier nur hervorgehoben, daß
das Ehepaar Curie die am stärksten strah-
lende Substanz fand; wegen ihrer hervor-
ragenden, Strahlen aussendenden — „radio-
aktiven" — Eigenschaften wurde diese Ra-
dium (lat. raäMs strahlen) genannt.
Die zweite uns hier interessierende Sub-
stanz, das Mesothorium, wurde von dem
deutschen Chemiker Professor Otto Hahn im
Jahre 1905 bei seinen Radiumforschungen
entdeckt. Es ist nicht mit dem Radium unmittel-
bar verwandt; während dieses zur Familie des
Urans gehört, ist jenes ein Mitglied der Fa-

milie des Thoriums. Auch die Fundstätten
und die Herstellungsweisen der beiden radio-
aktiven Substanzen sind verschieden. Das
Radium wird hauptsächlich aus der Uran-
pechblende, die in Joachimsthal in Böhmen
gewonnen wird, hergestellt; das Rohmaterial
des Mesothors ist der besonders in Brasilien
vorkommende Monacitsand. Aus diesem Mi-
neral wird die Thorerde zur Herstellung der
Gasglühlichtstrümpfe gewonnen; ein Neben-
produkt bei ihrer Fabrikation ist das kostbare
Mesothorium.
In gewisser Weise sind Radium und
Mesothor aber doch miteinander verwandt.
Die Primärerze des Urans und Thoriums,
das Uranit und das Thorianit, enthalten
nämlich beide Elemente; man kann also aus
jedem sowohl das Radium wie das Mesothor
gewinnen, und der Entdecker des Mesothors
hat dieses auch zuerst bei der Herstellung des
Radiums als Nebenprodukt erhalten. Die
Abspaltung des Radiums vom Mesothor ist
übrigens technisch so schwierig, daß das käuf-
liche Mesothor meist eine gewisse Menge
Radium enthält.
Die physikalischen Eigenschaften der beiden
unscheinbaren, weißlichen Substanzen sind
zumeist dieselben: sie leuchten im Dunkeln,
sie produzieren Wärme, sie schwärzen die
photographische Platte, sie bringen bestimmte
Metallverbindungen zum Leuchten, sie ioni-
sieren die Luft, d. h. sie spalten die elektrisch
indifferenten Luftmoleküle und machen sie zu
elektrischen Leitern; ihre Strahlen sind die-
selben. Der wesentlichste Unterschied zwischen
beiden ist ihre ungleiche Lebensdauer: das
Radium zerfällt erst in etwa 1800 Jahren
um die Hälfte seiner Masse; die Radioaktivi-
tät des frisch hergestellten Mesothors dagegen
wächst zwar in den ersten drei Jahren in
geringem Grade, dann aber nimmt es schnell
ab, so daß es schon in etwa zehn Jahren min-
destens die Hälfte seiner Kraft eingebüßt hat.
Die genannten Eigenschaften resultieren
aus der stetigen Umwandlung, aus dem Zer-
fall der Substanzen. Durch Abgabe von
Strahlen entsteht ein neuer Stoff, aus dessen
Zersetzung wird wiederum ein anderer Kör-
per gebildet und so fort. Aus der Mutter-
substanz Uran geht allmählich das Radium
hervor, als erstes Umwandlungsprodukt des
Radiums erscheint ein gasförmiger Körper,
die Emanation (sie gehört zu den Edelgasen,
wie Helium, Argon u. a.). Diese Substanz
geht wieder in eine andere über, und so eine
lange Reihe weiter, bis zuletzt nach vielen
Jahren eine inaktive Substanz, das End-
produkt der vielen Umwandlungen, übrig-
bleibt: das Blei. Und wir erkennen: nicht
 
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