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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Heft 2 (Oktober 1913)
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Strobl, Karl Hans: Der Graf Lauraguais
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0365

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die Nachricht, daß er mit diesem Opus und
einigen früheren Erzeugnissen seines Geistes
zu Herrn von Voltaire zu reisen gedenke.
Und wirklich machte sich der Gras, nach-
dem er die durch seinGedichthervorgerufene
Sensation genügend ausgekostet hatte, nach
Genf auf. Er blieb acht Tco-e bei Voltaire,
dann kehrte er nach Pari; zurück. „Es
war höchste Zeit, uns zu .rennen, zwei
große Dichter vertragen sich nicht länger."
Mit diesem Besuch war aber alles er-
schöpft, was im Zusammenhang mit Ma-
dame Arnoulds Entfernung dem Grafen
in der Gesellschaft das vornehmlichste
Interesse sichern konnte. Er geriet in eine
trübselige Stimmung, verwünschte dieses
Paris, in dem alle guten Geschichten und
bemerkenswerten Ereignisse so schnell ver-
gessen würden wie die Bonmots von gestern,
und sann darüber nach, was nun zu tun sei.
„Sie langweilen sich, Graf," sagte der
Abbe Galiani, „versuchen Sie es einmal
mit der Wissenschaft. Überraschen Sie uns
doch einmal mit einer Entdeckung. Sehen
Sie nur, welchen Namen sich Lavoisier ge-
macht hat."
„Lassen Sie mir nur Zeit," murmelte
Lauraguais. „Sie werden staunen." Vor-
läufig aber wußte der Graf noch nicht, auf
welchem Gebiet der Wissenschaft er sich
auszeichnen sollte. Da war es ihm wie eine
Fügung des Schicksals, daß ihm sein In-
tendant am nächsten Tage das Gesuch
zweier armer Chemiker um Unterstützung
vorlegte, die als Neffen eines seiner Guts-
pächter einigen Anspruch auf sein Wohl-
wollen zu haben glaubten. Er ließ sich so-
gleich die beiden jungen Leute kommen
und sprach zu ihnen: „Meine Herren, Sie
sind Chemiker. Die Chemie ist eine schöne
Wissenschaft, in der jetzt täglich neue Ent-
deckungen gemacht werden. Lassen Sie mich
eine Entdeckung machen, und Sie sollen die
erbetene Unterstützung erhalten."
Hierauf entfernten sich die beiden Che-
miker, indem sie versprachen, sie wollten
sich bemühen, den Grafen sehr bald nach
seinem Wunsch zu bedienen. Als aber vier-
zehn Tage vergangen waren, ohne daß sie
sich gezeigt hätten, ließ der Graf eines

Der Graf Lauraguais
Von Karl Hans Strobl

ines Tages überraschte Madame
Arnould den Grafen Lauraguais
nicht wenig, indem sie ihm den
Wagen, die Rosse, das Silber-
geschirr, das Porzellan, die Wäsche, den
braven Marcel, kurz alles, was sie im
Verlaufe der Jahre von ihm an Liebes-
geschenken erhalten hatte, zurücksandte.
Madames letzter Auftrag an Marcel war,
dem Grafen einen Brief mitzubringen, in
dem sie ihm mitteilte, daß sie mit ihm ge-
brochen habe und Paris verlassen werde.
Dieses jähe Ende eines Verhältnisses,
von dem man annahm, es sei fester gefügt
als eine Ehe, rief kein geringes Aufsehen
hervor, und als der GrafLauraguais beider
nächsten Abendgesellschaft des Barons Hol-
bach erschien, beeilte man sich, ihm das
herzlichste Beileid auszudrücken.
„Sie haben eine Geliebte verloren,"
sagte der Abbe Galiani, so ernst, wie er nur
selten war, „um die wir Sie alle beneidet
haben. Die liebenswürdigste Frau, ein
Engel, wenn dieser Name überhaupt für
unsere Feindinnen zulässig ist."
„O," sagte der Graf, „ich bin ihrer
überdrüssig gewesen. Ich habe sie weggejagt,
um endlich meine Ruhe zu haben. Mag
sie sehen, wie sie ohne mich durchkommt."
„Es heißt, daß sie sich auf dem Lande
bei Berlin befindet und bereits die Be-
dingungen ihres neuen Verhältnisses unter-
zeichnet hat," sagte Madame d'Epinay,
die immer mehr wußte als andere.
„Gewiß! Ich habe Vertin davon ver-
ständigt, daß Madame Arnould frei wird.
Sie wissen, daß ich ihn nicht leiden kann.
Übrigens beabsichtige ich, ein satirisches
Gedicht auf Madame Arnould zu schreiben
und drucken zu lassen."
„O, ich glaube," sagte der Abbe Galiani
hinter dem Rücken des Grafen zum Baron
Holbach, „wenn er ein Gedicht machen
will, kommt das Pressen und Drucken zu-
erst und dann das Schreiben."
Nach einigen Tagen aber war das ver-
sprochene Gedicht da und machte zuerst in
einigen handschriftlichen Exemplaren seinen
Weg durch die Salons. Die guten Be-
kannten des Grafen verbreiteten zugleich
 
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