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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

DOI issue:
Heft 3 (November 1913)
DOI article:
Molo, Walter von: Das Perpetuum mobile: die Tragikomödie der Technik
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0487

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Das Perpetuum mobile — die Tragikomödie der Technik
Von Walter von Molo




Die Zambonische Säule im Karlsruher Physikalischen
Institut

Mensch hat die Sehnsucht der
Ewigkeit: der Glaube ans Fort-
leben nach dem Tode ist der er-
schütterndste Beweis dieser Weg-
täfel. Das Werk verleugnet den
Schöpfer nicht: der ewigkeithoffende Mensch
schuf die Technik — auch sie kennt die gleiche
Sehnsucht. Ich meine das Perpetuum mobile,
das verräterische Vlättlein am stolzaufgereck-
ten Baume.
Die Sache ist nicht so einfach und nicht
so leicht abgetan, wie es hohnlächelnd die
Zunft tut. Das Perpetuum mobile ist ein
Unsinn. Zugegeben! Aber es ist ein heiliger
Unsinn. Es ist die Tragikomödie der Technik.
Der endliche Mensch will eine ewige Ma-
schine schaffen, eine Maschine, die, nur aus
sich selbst, ewig Arbeit leistet. Uralt närrische
Menschensehnsucht in die ernste Technik pro-
jiziert! Perpetuum mobile. Das ist ein
Ding, das sich ununterbrochen bewegt, wie
die Himmelskörper, wie Ebbe und Flut.
Armer Narr, weißt du, ob die Himmels-
körper ewig im Lauf bleiben? Was ist Ewig-
keit? Und wenn du eine Maschine bautest,
die jahrzehntelang liefe, das ist noch kein
Hauch der Ewigkeit. Die ZambonischeSäule
im Karlsruher
Physikalischen
Institut bewegt
seit siebzig Jah-
ren ihr Gold-
blättchen hin und
her — und ist
doch kein Perpe-
tuum mobile.
Von den älte-
sten Zeiten bis
heute ist eine
riesige Energie-
mengeimSuchen
nach der Ermög-
lichung dieser
technischen Un-
möglichkeit ver-
loren gegangen.
Die ewigen Ge-
setze lassen sich
nicht umgehen;
keine Energie,
keine Kraft geht
im Universum
verloren, das ist
richtig; doch
auch: keine Ener-
gie kann ohne
Aufwand einer
Energie erzeugt
werden, das ist
ebenso richtig —

das ist das Gesetz von der Erhaltung der
Energie. Die Kraft wird nicht verloren
(diese Tatsache ist der Hauptgrund des Per-
petuum mobile - Wahnes!), doch sie wird um-
gewandelt — durch den Widerstand, die Rei-
bung, in Wärme umgeschaffen. Muß ich das
alte Beispiel wieder hierhersetzen, vom Ham-
mer, der die ihn bewegende Kraft in Wärme
umformt, der sich daher an seiner Fallfläche
heiß anfühlt? Jede Maschine bleibt stehen,
früher oder später, wie das Menschenherz,
wenn nicht stets neue Energie sie antreibt;
denn die nur einmal aufgewandte Energie
verbraucht sich mit den Widerständen der
Bewegung, im Kampfe mit dem technischen
Todfeind Reibung. Es gibt keine reibungs-
freie Maschine, daher gibt es auch keine
Maschine, die, nach Aufhören der sie be-
wegenden Kraft, in die Ewigkeit weiterliefe.
Darum ist das Perpetuum mobile ein Un-
sinn. Und da der Wärmezustand der Erde,
ihre Wärme, auch nicht in mechanische Arbeit
umgesetzt werden kann, so ist die letzte Hoff-
nung auf den Erhalt eines Perpetuum mo-
bile geschwunden. Wohl bewegen sich Ma-
gnetnadel und Barometer unablässig, jedoch
auch unablässig durch die Änderungen des Erd-
magnetismus
..: und des Luft-
: druckes ins
: Schwanken ge-
: bracht, also stets
: von neuem an-
: getrieben — kein
Perpetuum mo-
° bile! Das ein-
: zige Perpetuum
: mobile ist für
« uns die Bewe-
. gung des Welt-
: Systems — weil
« wir die antrei-
: bendeKraft nicht
; kennen und nicht
° wissen, wann de-
: ren Tätigkeit en-
? den wird.
.° Weit in die
: alte Zeit zurück
: reichen die Ver-
: suche, ein Per-
: petuum mobile
zu schaffen. In
: die Zeit der Al-
chimisten und
Goldsucher, der
nimmermüden
Schwärmer, de-
nen die nase-
rümpfende Tech-

Velhagen L Klasings Monatshefte. XXVIII. Jahrg. 1913/1914. I. Bd. 26
 
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