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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Heft 2 (Oktober 1913)
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Queri, Georg: Hochzeit zu Anzing
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0369

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Hochzeit zu Anzing
Von Georg Queri in Starnberg


nzing ist ein liebes, altes Bauern-
dörfl am Ebersberger Forst, östlich
von München also. Der Schienen-
strang hat das Dörfl und seine rund
zwölfhundert Bauern, Bauern-
handwerker und Forstarbeiter noch nicht er-
reicht. Glücklicherweise: so trägt der Städter
nur recht selten seinen Schädel voll Mucken
hin; und wo er seine Mucken nicht ausflattern
läßt, da gedeihen Sitte und Brauch noch
ungeniert und lustig von alters her weiter.
Und wenn zu Anzing zwei Leutl die Hände
Zusammenlegen zum gemeinsamen Hausen,
dann gibt's noch eine richtige altbayerische
Bauernhochzeit.
Die mag nicht erst unseren Tagen eine
besonders merkwürdige Festsache sein. Der
Hof zu München hat in der schönen Rokoko-
zeit alle vier Jahre im Fasching sich eine
gewaltige Bauernhochzeit als Hauptspaß ge-
leistet. Die letzte fand Anno 1765 statt, und
wenn Maximilian Joseph fürderhin auf diese
lustige Nummer im kurfürstlichen Faschings-
programm verzichtete, so geschaht wohl mit
leisem Bedauern und nur darum, weil die
Bauern im Land über dieses höfische Ver-


gnügen brummten. Denn seit Max'l. Regierung
pflegte der Hof an den Feftzeiten der Bauern
viel Kritik zu üben und besonders die großen
und pompösen ländlichen Hochzeiten zu ver-
dammen. Gewiß waren diese etwas zu um-
fangreich geworden; schon in den Zeiten des
Herzogtums wurde wegen der damit ver-
bundenen Verschwendung gewettert, und ein
Dekret vom 14. April 1617 verfügte, daß der
gemeine Mann nicht mehr als fünfzig Per-
sonen außer den Spielleuten zur Hochzeit
laden dürfte und daß seiner Tafel Fische,
Krebse und kostbare Weine ferne bleiben
müßten. Diese Verordnung scheint in ihrem
zweiten Punkte eine ganz merkwürdig dauer-
hafte Wirkung gehabt zu haben: noch in
unseren Tagen fehlen die einst verbotenen
Genüsse an der festlichen Bauerntafel.
Dagegen ist die Beschränkung der Gäste-
zahl längst aufgehoben. Der Oberbayer
pflegt heute ohnedies nicht mehr seine ganze
Verwandtschaft „bis zum siebenten Suppen-
schniltel" herab einzuladen und zumeist ein
überflüssiges protziges „Aufhauen" zu ver-
meiden. In Niederbayern indessen sind Hoch-
zeiten mit mehr als hundert Personen an der
Tafel auch heute nicht selten. Im allge-
meinen entscheiden natürlich Vermögens- und
Verwandtschaftsverhältnisse für einen mehr
oder minder großen Pomp; endlich aber
hat die neuere Zeit die typischen Bauern-
hochzeiten überhaupt selten werden lassen,

so daß nur in spärlichen Fällen nach altem
Brauch und Herkommen geladen wird. Dann
aber nach all den ungeschriebenen Gesell-
schaftssatzungen der Bauernschaft und mit
wichtiger Betonung dieses größten und fest-
lichsten Tages im Bauernleben.
Wenn auch die Anzahl der Gäste als
Gradmesser für das Fest gilt, so kommen
doch eigentlich nur die begleitenden Bräuche
für das Wesen der Bauernhochzeit in Betracht,
jene interessanten bodenständigen Sitten, die
leider zu selten wieder lebendig werden —
manchmal kaum mehr in ihrer Bedeutung
erklärlich, wenn der Überlieferung ein Irr-
tum unterlief oder wenn sie tief aus alt-
heidnischen Bräuchen sich herleiten.
Felix Dahn konnte noch in den sechziger
Jahren von einer bunten Fülle der festge-
haltenen Bräuche sprechen, die allgemein die
altbayerischen Hochzeiten begleiteten. Von
dieser Fülle sind indes im Lauf eines halben
Jahrhunderts nur mehr spärliche Reste ver-
blieben; der Hochzeitslader ist heute im
großen und ganzen der einzige Machthaber
über Bräuche und Mißbräuche geblieben, und
wenn er einst für seine Zeremonialien keine
Erben findet, so geht ein schönes, altes Fest
des Bauernstandes allmählich in die Seicht-
heiten moderner Lebensgewohnheiten über.
R R R
Aber vorderhand haben wir noch unfern
alten Hochzeitslader, der uns die Bauern-
hochzeiten verbürgt. Er ist also noch der
Mann von alter Sitte und Art und soll uns
seine Sprüche und Späße hier zu Protokoll
geben. Es wird gut sein, wenn ich Halb-
wegs den Dolmetsch in dieser Sache mache;
die Sprache der Anzinger Bauern ist nicht
allgemein verständlich, und die Zeit ist längst
vorüber, da der hochdeutsch sprechende Schul-
meister das Amt des Hochzeitsladers erfüllte.
Das Patrimonialgericht zu Seefeld unter-
sagte dem Weßlinger Schulmeister bereits
im Jahre 1825 ausdrücklich diese Art des
Nebenberufes. Der reiche Graf Törring
wußte eben die Einkünfte eines Schulmeister-
leins nicht zu taxieren oder er wollte einen
Stand heben, ohne ihm die Mittel dazu zu
geben. Und so wie das Seefelder beschlossen
allmählich auch die anderen herrschaftlichen
Gerichte und ließen die Schneider und
Bader der Dörfer das Amt des Hochzeit-
laders erben.
Wehmütig übergab der Lehrer das Manu-
skript seiner schönen Reden dem Amtsnach-
folger, um alsbald zu erfahren, daß aus
seinen tiefen Sentenzen und leuchtenden Rede-
blumen krause Mißverständnisse entstanden
 
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