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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Heft 3 (November 1913)
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Hart, Hans: Wunderkinder [3]: Roman : (Fortsetzung)
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Seidel, Paul Mathias: Mohn auf Delos
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0530

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436 ZEEELLLLEL Paul Mathias Seidel: Mohn auf Delos LÄLKL88SLLLSI

hin. „Wo nur der Nisi bleibt!" brummte
er verdrossen.
Der Trir schlug eine Flamme ins Ge-
sicht, und sie war dankbar, daß der Abend
seine Schatten ins Zimmer senkte.
Damals sprachen sie zum erstenmal von
Karl Maria. Nun geschah das öfter. Der
alte Herr aber tat es meist in übler Laune,
und während er sonst sein eigenes Spiel
bewunderte, nannte er es jetzt elende Pfu-
scherei. „Dein Karl Maria kann das viel
besser." Und dazwischen immer wieder der
scharfe Blick, in dem Mißtrauen flackerte,
wenn die Trir mit halb verschleierter
Stimme traumliebe Erinnerungen spann,
von der gelben Schleife, die Karl Maria noch
von ihr besaß, oder von der Ruderpartie
im Glanze des Septemberabends. Hinter
ihren Worten aber lag etwas wie geheime
Schuld.
Und dies schwere und dunkle Gefühl
ließ sie nicht mehr los. Sie hatte Karl
Marias Schicksal in irre Bahnen geworfen
und konnte doch nicht einmal ihr eigenes
Leben fest in die Hand bekommen. Beatrice
lächelte leise über die unsinnige romantische
Liebe des Geigers Tredenius und streckte
doch oft die Arme ins Dunkel, in einer
kaum gebändigten Sehnsucht.
Heute aber war der Tag, an dem sie
ihre Schuld sühnen konnte, das zerstörte
Konzert und die Flucht aus dem „Blauen
Herrgott". Und nun fehlte ihr aller Mut.
So zogen die Gedanken in FrauBeatrice.
Endlich wußte sie, was sie tun wollte:
Fort aus Weimar! Es galt, Karl Maria
alle Wege in der Heimat zu bereiten. Dann
wollte sie ihn rufen wie eine lächelnde
Freundin, stark und sicher. Diese Flucht
schien ihr ein Sieg. Graf Dionys aber
merkte nicht, daß seine Frau heute durch

einen knappen Spalt in die Sonne geguckt
hatte. Ihre Absicht, morgen abzureisen,
leuchtete ihm durchaus ein. So bekam er
selbst alle Freiheit.
„Du hast Sehnsucht nach dem Kleinen?"
„Ja." Sie nickte still und blickte ins
Dunkel.
Graf Dionys war zerstreut und verson-
nen , als hätte er allzu schwere Lasten zu
tragen. Er durchschaute das Spiel der
Miriam, war aber viel zu eitel, sein Flatter-
herz aus diesem Netz zu lösen. Als er nun
in seiner Wehmut eine kleine Zärtlichkeit
bei seiner eigenen Frau wagte, traf ihn ein
Blick, so seltsam verträumt und so eiskalt
zugleich, daß er ganz verdonnert zurücktrat.
Gemessen fragte Beatrice: „Ist also die
Miriam Italiener frei für.... ?" Das
häßliche „Dich", das ihr auf der Zunge
lag, verschluckte sie und sagte nur: „Papa
Achaz?"
Graf Dionys blinzelte etwas unbehag-
lich. Diese jähe Abreise seiner Frau gab
ihm auf einmal zu denken. Und er vertrug
Spott nur, wenn er sich nicht auf ihn selbst
bezog. Wie eine gute Freundin riet die
Trir: „Die rothaarige Schwester soll gro-
ßen Einfluß auf das Wunderkind haben."
Und die Türe klappte dem Gräflein vor
der Nase zu.
Aber Nisi litt es mit Geduld. Seine
Frau war doch wirklich ein wunderbares
Geschöpf. Ja, diese rote Here hatte be-
gehrliche und zugleich drohende Augen.
Da hieß es, rasch etwas Glänzendes davor-
halten, damit das Ungetüm nicht sähe, was
ringsum geschah. Und so tat er auch. Fräu-
lein Johanna pries nun den blonden Gra-
fen und blickte die Schwester vorwurfsvoll
an, wenn Miriam ihre Launen über den
armen Nisi hageln ließ. (Schluß folgt)

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Mohn auf Delos
In grünem Grase bleicht das Geripp der Stadt,
Das weiß und weit das flache Gelände drückt«
Kalt streben Tempelsäulen aufwärts,
Kalt des Theaterbaus Kreise nieder.
Doch aus dem Marmor quillt es und glüht und lebt,
Als zwänge rote Wärme den blassen Tod.
Mit tausend großen Tropfen sprießt in
Blüten des Mohnes das Blut der Steine.
Paul Mathias Seidel

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