Gothaer Hofkalender
un ist vor noch nicht lange auch
HÄMIÄN Prinz Hans wohlbetagt gestorben
DWuAW und im Königsdom zu Roeskilde
beigesetzt worden. Zur Welt ge-
kommen als eines unbekannten
Herzogs von Glücksburg neuntes Kind, in
jungen Jahren Schwager eines Herrn von
Laßbergi, den seine Schwester heiratete, war er
seitdem bei dem günstigen Segelwind, in wel-
chen sein Bruder Christian hineinzusteuern
wußte, zu Rang gekommen und allmählich
zu dem vielgenannten „Onkel von Europa"
avanciert. Auf ihn ursprünglich erfunden
war dieses Epitheton zwar nicht. Er erbte
es bei dem Tode der „Großmutter Europas",
seiner Schwägerin Luise, der Kasseler Land-
grafentochter und Gemahlin König Chri-
stians ix. Das Wort paßte und war der
Erhaltung würdig; denn in Kopenhagen
mündete die kronentragende Genealogie des
Erdteils und seiner Appendixe allgemach zu-
sammen. Christian IX. und Luise — die
heißeste aller Hohenzollernhasserinnen — sahen
ihre Töchter Alexandra und Dagmar die
Souveräninnen des großbritannischen und
des zarischen Weltreichs werden; sie ver-
mählten ihre Tochter Thyra dem in warten-
den Hoffnungen unversöhnten Welfenhause;
den Häuptern ihrer Manneserben standen
und fielen die Kronen von Dänemark und
Griechenland und endlich noch wieder des
einst zu Dänemark gehörenden Norwegen zu.
Aus den Schößlingen an diesem genea-
logischen Gezweigs schlangen sich neue Ver-
bindungen, die noch dichter die höfisch-poli-
tische Welt überrankten, in jüngerer Zeit die
deutschen Bundesfürstenhäuser von Baden
und Mecklenburg in die Kopenhagener Ver-
wandtschaft zogen und auf mehr als einem
Wege auch das Haus des deutschen Kaiser-
throns erreichten. Bis das einst für unmög-
lich Gehaltene denkbar wurde und sich voll-
zog: der Welfenerbe Schwiegersohn des
Hohenzollern ward, der seiner einzigen Toch-
ter Lebensglück ihm anvertraute.
Die Glücksburger sind ein schleswig-hol-
steinisches, in letzter Linie oldenburgisches
Haus. Ein nach Abkunft deutscher Verwandt-
schaftskreis ist es, der von Kopenhagen seine
Verbindungen so weitum ausstreckte. Oder
sie innerhalb der Familienverzweigung auf-
frischend erneuerte. Denn was als enge
Liaison der Häuser von Dänemark und Ruß-
land erscheint, ist genealogisch nur solche von
Holstein-Glücksburg und Holstein-Gottorp.
Seit dem fünfzehntenJahrhundert ist das alte
Grafenhaus des friesischen Oldenburg zu seinen
verzweigten dynastischen Stellungen aufge-
stiegen. Indem es zur Herrschaft in Schles-
wig-Holstein und Dänemark kam, entsprang
dort ein breites Geäftel von neuen Linien,
darunter Glückstadt, Gottorp, Augustenburg,
Glücksburg, und während hiervon die einen
Linien in Dänemark und den Herzogtümern
nacheinander folgten, bestiegen die Gottorper
den russischen und für zwei Menschenalter
auch den Schwedenthron. Sie gaben das
Beispiel für den jüngeren Krongewinn in
Griechenland und Norwegen. So ist denn
seit einem halben Jahrtausend dieses länder-
umspannende oldenburgische Haus in alle
große Politik und Verwandtschaft verflochten,
unzählige Male begegnet es in den Ahnen-
tafeln, und unser deutscher Kronprinz gehört
in diese Genealogie unmittelbar durch seine
augustenburgische Mutter, die Kaiserin, hin-
ein, während er sich entfernter mit ihr durch
seine Gemahlin berührt.
Ein weit jüngerer Vorgang als die Aus-
breitung der Oldenburger, in mancher Hin-
sicht auch anders geartet, ist der Feldzug
der Wettinerlinie Sachsen-Koburg zur Er-
langung fremder Throne. Koburgische
Agnaten regieren in Belgien, im großbritan-
nischen Weltreich, in Bulgarien, und bis vor
kurzem war noch Portugal mitzuzählen.
(Prinz Ferdinand von Koburg wurde im
Jahre 1836 der Gemahl der Erbtochter des
Hauses Braganza, Maria da Gloria. Er ist
der Stammvater der folgenden Könige, Ur-
großvater des nicht sehr ruhmvoll vertrie-
benen Dom Manuel, des Sohnes der Kö-
nigin Amalie aus dem Hause Orleans.)
Erst im neunzehnten Jahrhundert, gegen
1830, entfaltet sich dieser koburgische Familien-
ehrgeiz und beginnt seine Erreichungen zu ern-
ten. Deren Urheber und Taktiker war einer der
jüngeren Brüder des Herzogs Ernst l., Leo-
pold, der „koburgische Ulysses", der nach der
Losreißung Belgiens (1830) von den Nieder-
landen seine Erhebung auf den neuen Thron
in Brüssel durch unzählige Klippen höchst
geschickt hindurchbugsierte.
Ein zwischen Herzog Ernst I. in Koburg
und Leopold von Belgien stehender Bru-
der, Ferdinand, war nach Österreich ge-
un ist vor noch nicht lange auch
HÄMIÄN Prinz Hans wohlbetagt gestorben
DWuAW und im Königsdom zu Roeskilde
beigesetzt worden. Zur Welt ge-
kommen als eines unbekannten
Herzogs von Glücksburg neuntes Kind, in
jungen Jahren Schwager eines Herrn von
Laßbergi, den seine Schwester heiratete, war er
seitdem bei dem günstigen Segelwind, in wel-
chen sein Bruder Christian hineinzusteuern
wußte, zu Rang gekommen und allmählich
zu dem vielgenannten „Onkel von Europa"
avanciert. Auf ihn ursprünglich erfunden
war dieses Epitheton zwar nicht. Er erbte
es bei dem Tode der „Großmutter Europas",
seiner Schwägerin Luise, der Kasseler Land-
grafentochter und Gemahlin König Chri-
stians ix. Das Wort paßte und war der
Erhaltung würdig; denn in Kopenhagen
mündete die kronentragende Genealogie des
Erdteils und seiner Appendixe allgemach zu-
sammen. Christian IX. und Luise — die
heißeste aller Hohenzollernhasserinnen — sahen
ihre Töchter Alexandra und Dagmar die
Souveräninnen des großbritannischen und
des zarischen Weltreichs werden; sie ver-
mählten ihre Tochter Thyra dem in warten-
den Hoffnungen unversöhnten Welfenhause;
den Häuptern ihrer Manneserben standen
und fielen die Kronen von Dänemark und
Griechenland und endlich noch wieder des
einst zu Dänemark gehörenden Norwegen zu.
Aus den Schößlingen an diesem genea-
logischen Gezweigs schlangen sich neue Ver-
bindungen, die noch dichter die höfisch-poli-
tische Welt überrankten, in jüngerer Zeit die
deutschen Bundesfürstenhäuser von Baden
und Mecklenburg in die Kopenhagener Ver-
wandtschaft zogen und auf mehr als einem
Wege auch das Haus des deutschen Kaiser-
throns erreichten. Bis das einst für unmög-
lich Gehaltene denkbar wurde und sich voll-
zog: der Welfenerbe Schwiegersohn des
Hohenzollern ward, der seiner einzigen Toch-
ter Lebensglück ihm anvertraute.
Die Glücksburger sind ein schleswig-hol-
steinisches, in letzter Linie oldenburgisches
Haus. Ein nach Abkunft deutscher Verwandt-
schaftskreis ist es, der von Kopenhagen seine
Verbindungen so weitum ausstreckte. Oder
sie innerhalb der Familienverzweigung auf-
frischend erneuerte. Denn was als enge
Liaison der Häuser von Dänemark und Ruß-
land erscheint, ist genealogisch nur solche von
Holstein-Glücksburg und Holstein-Gottorp.
Seit dem fünfzehntenJahrhundert ist das alte
Grafenhaus des friesischen Oldenburg zu seinen
verzweigten dynastischen Stellungen aufge-
stiegen. Indem es zur Herrschaft in Schles-
wig-Holstein und Dänemark kam, entsprang
dort ein breites Geäftel von neuen Linien,
darunter Glückstadt, Gottorp, Augustenburg,
Glücksburg, und während hiervon die einen
Linien in Dänemark und den Herzogtümern
nacheinander folgten, bestiegen die Gottorper
den russischen und für zwei Menschenalter
auch den Schwedenthron. Sie gaben das
Beispiel für den jüngeren Krongewinn in
Griechenland und Norwegen. So ist denn
seit einem halben Jahrtausend dieses länder-
umspannende oldenburgische Haus in alle
große Politik und Verwandtschaft verflochten,
unzählige Male begegnet es in den Ahnen-
tafeln, und unser deutscher Kronprinz gehört
in diese Genealogie unmittelbar durch seine
augustenburgische Mutter, die Kaiserin, hin-
ein, während er sich entfernter mit ihr durch
seine Gemahlin berührt.
Ein weit jüngerer Vorgang als die Aus-
breitung der Oldenburger, in mancher Hin-
sicht auch anders geartet, ist der Feldzug
der Wettinerlinie Sachsen-Koburg zur Er-
langung fremder Throne. Koburgische
Agnaten regieren in Belgien, im großbritan-
nischen Weltreich, in Bulgarien, und bis vor
kurzem war noch Portugal mitzuzählen.
(Prinz Ferdinand von Koburg wurde im
Jahre 1836 der Gemahl der Erbtochter des
Hauses Braganza, Maria da Gloria. Er ist
der Stammvater der folgenden Könige, Ur-
großvater des nicht sehr ruhmvoll vertrie-
benen Dom Manuel, des Sohnes der Kö-
nigin Amalie aus dem Hause Orleans.)
Erst im neunzehnten Jahrhundert, gegen
1830, entfaltet sich dieser koburgische Familien-
ehrgeiz und beginnt seine Erreichungen zu ern-
ten. Deren Urheber und Taktiker war einer der
jüngeren Brüder des Herzogs Ernst l., Leo-
pold, der „koburgische Ulysses", der nach der
Losreißung Belgiens (1830) von den Nieder-
landen seine Erhebung auf den neuen Thron
in Brüssel durch unzählige Klippen höchst
geschickt hindurchbugsierte.
Ein zwischen Herzog Ernst I. in Koburg
und Leopold von Belgien stehender Bru-
der, Ferdinand, war nach Österreich ge-