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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Heft 4 (Dezember 1913)
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Freygangk, Heinz von: Die Welt auf Schlittschuhen
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0662

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Die Welt auf Schlittschuhen
Von Heinz von Freygangk


Berliner nennen ihn den Hof-
klub. Er selber ist bescheidener
und hat sich einfach und schlicht
Eisklub getauft. Die Autos
rollen vor den Eispalast in der
Lutherstraße zu Berlin die Mitglieder der
ersten Berliner Gesellschaft entsteigen ihnen,
um dem Eislauf zwei kurze Stunden zu
huldigen. Zweimal in der Woche geschieht
es, Montags und Freitags nachmittags.
Früher, als der Kronprinz noch in Berlin
und Potsdam Dienst tat, sah man auch oft
die Chauffeure mit den breiten Adlertressen
vor dem Hause warten, und dann staute sich
vor dem Eingang die Menge und wartete
auf ihn und die Kronprinzessin, umwenigstens
auf einen Augenblick die beiden sehen zu
können. Da mußten die anderen Mitglieder
durch die Reihen der Wartenden Spießruten
laufen, und der Pförtner des Eispalastes wurde
über jede einzelne Persönlichkeit befragt.
Bekannte Adelsnamen klangen da auf: Graf
Chamare, Gräfin Westarp, Gräfin Dohna,
von Kummer, Kekule von Stradonitz und
dann wieder Namen aus der Haute-finance:
von Mendelssohn-Bartholdy, von Gwinner,
von Friedländer-Fuld, von Schwabach,Staudt
und Gruson. Man wußte, daß der Kron-
prinz und die Kronprinzessin, Prinz und
Prinzessin Eitel Friedrich, die Prinzessin
Friedrich Leopold und andere Fürstlichkeiten
Ehrenmitglieder, daß der Fürst Hans Hein-

rich von Pleß Präsident des Klubs war, man
sah die Erscheinungen, sah zahlreiche Offi-
ziere; da war der Name des Eisklubs schnell
umgeformt: der Hofklub.
Und während draußen die Menge harrte,
kreisten drinnen auf der weiten Eisfläche die
Mitglieder. Die Musik oben auf der Est-
rade spielte einen Walzer nach dem anderen,
Paare drehten sich im Eistanz, hier übte ein
Herr Dreier, Gegendreier und Schlingen,
dort brachte einer der berühmten St.Moritzer
Eislehrer einer Dame den Zehnschritt bei.
Der Sport geht allem anderen vor, man denkt
nicht an höfisches Zeremoniell, man will
lernen. Aber man will beim Lernen unter
sich sein, man will trotz des sportlichen Ernstes
das gesellige Leben nicht entbehren. So hat
man einen Fünf-Uhr-Tee mit dem Eislauf
verbunden. Die Tische rings um die Eisfläche
sind mit Zuschauern gefüllt, Väter und Müt-
ter bewundern hier ihre Töchter auf Schlitt-
schuhen ebenso, wie sie sie des Abends im
Weißen Saal des Schlosses beim Menuett
und bei der Gavotte bewundern. Viele, die
noch nie eine Stahlschiene unter den Füßen
gehabt, kommen, weil sie wissen, daß sie hier
ihre Bekannten treffen. Und nach anstrengen-
der Übung ruhen sich die Läufer bei einer
Tasse Tee aus, blicken kritisch oder achtungs-
voll zu den Tänzern hinüber, schwatzen und
flirten. Gute Leistungen werden gezeigt: Da
sind die beiden schlesischen Gräfinnen Strach-


Schlittenkonkurrenz auf dem Fest in Rot-Weiß des Eiskluvs zu Berlin
 
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