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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Kurz, Hermann: Die Amme: Novelle
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0183

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Die Amme
Novelle von Hermann Kurz
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geschlagenen Tag halte die Luft
über der Nheinebene vor Hitze
gezittert, und die Berge lagen
hinter Schleiern, so warm war's
gewesen, ein erster Sommertag. Und die Lin-
den hatten eben zu blühen begonnen. Eine
Lust war's zu leben, voller Herrlichkeit.
Die Leiningvogts hatten ihre große
Wäsche wie alle Jahre, und das war eine
Freude bei solchem Wetter. Der alte Leinin-
ger führte das Waschzeug zur Schwenke im
Bache, seine Frau saß würdig neben ihrem
Ehemann auf dem Wagen, und ihr Töch-
terlein, das Mareili, ging mit den Mägden
nebenher. Die jungen Weibsbilder waren
toll und unbändig, voller ausgelassener
Lustigkeit; es war auch so schön, solch ein
erster heißer Tag, und das Herze war noch
frisch und jung und hoffnungsleicht.
Auf dem ersten Leintuch tritt das Ma-
reili ganz ernsthaft zur Schwemme, und
der Leiningervogt brummte: „Werde nur
noch nicht ganz verrückt, Marei."
Aber das Lachen war mit dem Frühjahr
und den Zugvögeln wieder ins Land ge-
kommen und flatterte lustig drauf los,
immer wieder, da war nichts vor, auch
nicht der Vater Leininger.
„Hüschte — ho, komm, Bleß, die Men-
scher sind verrückt," sagte er darum mit
Würde, kehrte und fuhr dorfwärts. Aus
der Ferne schaute er noch einmal zurück
auf den Unfug des Weibervolkes und ent-
deckte seine Frau so lustig wie die andern.
Da stutzte er und dachte so im Weiterfahren
an Anno dazumal, und ehe er aufs neue an
seinen Verstand appellieren konnte, kam die
Vergangenheit und setzte sich neben ihn
auf seinen Wagen. Was die nicht alles zu
erzählen wußte! Er hatte nur zu horchen
und zu nicken und zu schmunzeln. Be-
sonders das war gut gewesen als er seine
Leiningervögtin zur eigentlichen Vögtin
machte. ,Das war ja grad wie heut, Lei-
ninger, denke dran. Weißt du, sie hatten
sich müd gelacht bei der Wäsche und lagen
an der Sonne, dein Schatz etwas abseits,
und da war's so warm, und der Dusel kam,

und sie schliefen und du küßtest deine Vög-
tin, die's eigentlich noch nicht war.' Und der
alte Fuchs wußte alles noch und weil nun
auch ihn die Narretei wieder einmal am
Bändel hatte, legte er fest an vor dem Anker
und trank sein Schöpplein und spann einen
Faden weiter, heut kam's auf einen Spitz
sicherlich auch nicht groß an.
Und draußen am Bache war's heut just
wieder wie Anno dazumal.
Die Sonne und das Lachen hatte müde
und schlapp gemacht, und im hohen Bord-
grase träumte sich's so schön. Und wie Anno
dazumal der Vogt gekommen, so kam heute
der Noldi. Aber auch die Vögtin dachte an
Anno dazumal und schlief darum heute nicht
ein, doch durften das Mareili und der Noldi
nebeneinandersitzen für sich allein außer
Hör- doch in Sehweite, denn der Noldi war
dem Müller sein Zweiter und bekam
später einmal soviel wie's Mareili, also
würde dies ganz was Nettes abgeben, und
zudem gingen die beiden schon lange mit-
einander.
DerNoldi aber und das Mareili dachten
weniger an das Rechenexempel, sie dachten
überhaupt nicht viel, dafür aber zappelten
die beiden Liebespumpwerke mit verdop-
peltem Drucke und ihre Gemüter schwam-
men deshalb in der Hochflut ihrer Gefühle.
Der Tag war ja auch so voller Lust zum
Leben.
Als die Liebesleut wieder an ihre Ar-
beit gingen und ihren Trubel wieder von
der Kette ließen und abhetzten, wollte das
Mareili nicht so recht mit. Die Augen des
Mädchens waren weich und glänzend, und
über ihrem Munde huschte wie ein Kobold
von Zeit zu Zeit ein Lächeln. Und im
Köpflein des Mareili spukte immer nur
die Freude, die sie zwischen zehn und
elf mit dem Noldi hinten am Bühl er-
wartete.
Nach dem Abendessen sagte der Vogt
zur Vögtin: „Gelt he, als wir dazumal
unfern Waschtag hatten?"
Die Vögtin lachte halb, und mit der
anderen Hälfte, vielleicht auch nur mit
 
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