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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Kurz, Hermann: Die Amme: Novelle
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Schanz, Frida: Val Solda
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0189

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Frida Schanz: Val solda 147

heil an die Eheleute heran, und es begann
ihnen schwül zu werden.
Da schrie, als richtige Segnung des
Himmels wie von einem Engel geweckt,
der Bube in der Wiege Mordio. Das
Mareili bückte sich rasch zu dem Kinde
nieder, das eben als guter Engel eine Biene
in die Nase gestochen hatte, denn die war
so süß vom Zuckerlutsch.
Und so war der erste Schritt getan.
Im Nu füllte sich die Stube mit den
allernächsten und allerweitesten Verwand-
ten und Nachbarn und was dazwischenlag
von Freunden und Neugierigen, die auch
was wissen wollten vom Mareili und der
Residenz und dem Kronprinzen; da gab's
viel zu reden.
Aber das Schwerste dieses ersten Tages
kam noch. Das war um Mitternacht her-
um, als sich die letzten Besucher verzogen
hatten und ein Freund des Noldi meinte:
„Ihr werdet euch wohl noch manches zu
sagen haben, ihr beiden, denk^ ich." Dazu
zwinkerte er mit beiden Augen auf eine
solche Weise, als ob er der leibhaftige
Amor in Person wäre, und schüttelte so im
guten Glauben und treuen, etwas Braves
zu tun, beim Mareili und beim Noldi Öl
ins Feuer. Oder man könnte auch sagen,
er blies mit dem Blasebalg des guten
Willens falsche Luft in die glühenden
Funken der Zwietracht, wo er doch ein
guter Geist sein wollte.
Da saßen sich die beiden eine geraume
Zeit schweigend gegenüber, keines wußte,
was nun weiter kommen mußte, doch waren
sie beide überzeugt, daß es nicht gut an-
ging, die Nacht hindurch so nebeneinander
zu sitzen. Darum stand der Noldi auf und
spazierte eine Weile im Zimmer herum.
Das Mareili saß am Ofen, dem Weinen
nahe. Und der Noldi wollte, je mehr er

lief, immer lauter sagen, was er gesündigt
hatte, und konnte das Wort über die Lip-
pen bringen, er zappelte herum gleich
einem Fisch am Angel. So stand zwischen
den beiden etwas wie eine Wand, das sie
trennte, turmhoch, schier unübersteiglich.
Und doch hätten beide am liebsten mit
einem einzigen Sprung das Hindernis ge-
nommen, denn beide waren jung. Und
hatte nicht der Großherzog selbst gesagt: „ Es
ist ihm nicht zu verargen," und die Groß-
herzogin: „Sei wie früher, sag' nichts."
So gingen die Minuten langsam und
quälend dahin, und das Feuerlein der
bösen Gedanken konnte sich in Muße aus-
brennen und in sich zusammenfallen. Die
Uhr auf der Kirche schlug die Stunde aufs
neue. Da schien's, das Mareili sei vom
lieben Herrgott aus der Qual dieses irdi-
schen Fegefeuers entlassen, denn es stand
auf und ging zur Schlafkammer. Der
Noldi schaute ihm nach und war ganz klein
dabei, und die alte Verliebtheit begann ihn
wieder zu brennen. Da sagte das Mareili
ganz einfach und doch mit einem Gesicht-
lein, auf dem eine Rose erblühte: „Komm,
Noldi!" Der Noldi blieb stehen und —
begann sich zu schämen. Das Mareili
aber ging zu ihrem Manne hin, nahm
seine Hand und führte ihn in die Schlaf-
kammer.
Diese Handlung des Mareili war be-
zeichnend für das, was in der Folge kam.
Nie wurde ein Wort über das geredet, was
vorgegangen war. Aber was kommen
mochte, immer nahm das Mareili das
Schicksal an der Hand und führte so ihr
Haus dem Guten zu.
Die größte Enttäuschung hatte der
Schwähervater. Denn er bekam das fette
Ende von der Wurst nicht, wenn's gut
ging, ein mageres Scheibchen.

McÄororoloDioDDrororvDrvDDlvrvDivrvroloroD^
tz Val solda I
Z Ich trat ins Licht aus dunkler Bergnestgasse. o
8 O Blütenwelt! Ich war wie sonnenblind! K
Z Ein Scharlachtuch lag auf der Kirchterrasse, A
o Ein blauer Schleier flog weltweit im Wind. §
§ Golden die Höh'n. — Der Wildbach rauschte tief. L
L Ein Bergbraunellchen sang: Anima mia! —
Ein Weib aus grauem, steilem Hause rief o
8 Ihr Kind, das Weilchen pflückte, laut: — Maria!
Frida Schanz
Uorororororolololorororojorororororororo^
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