Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

DOI Heft:
Heft 4 (Dezember 1913)
DOI Artikel:
Hoffensthal, Hans von: Marion Flora [4]: Roman (Schluß)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0577

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
XXVIH. Jahrgang 1913/1914

t
8
V
8

Heft 4. Dezember 1913 A
Marion Flora. Roman von Hans von Hoffensthal
(Schluß)

VeHagmMlasmgs
Monatshefte
HemusgeberHanns vonZobelrip
und Paul Oskar Hocker

zwischen uns und drohte all mein so müh-
sames Zusammennehmen noch einmal über
den Haufen zu werfen. Aber wie gütig
half sie mir über solche Zeit und solche
Unruhe.
Ich sah es ihr oft an, daß sie gut
wußte, wie wieder einmal alle Erinnerun-
gen und alle Sehnsucht in mir wach waren
und mich quälten. Eine weniger Gütige
und Verstehende als sie hätte durch ein
Wort, durch eine Ungeschicklichkeit alles
verderben können. Sie geduldete sich. Ließ
die bösen Stunden in Geduld an sich vor-
über und machte sie dadurch zu guten.
Nahm ihnen dadurch allmählich die Macht,
Wiederzukommen.
Und jetzt, Frau Lore, ich schreibe diese
Zeilen, um Ihnen voll Freude zu sagen:
Es geht. Es geht. Nur mehr sehr selten
muß ich an G. denken. Und tagelang
mahnt mich an jene nicht mehr eine Erin-
nerung. Das sind Tage, wo ich mir denke,
ich habe ein ganz neues, unverbrauchtes,
fröhliches und starkes Herz bekommen, das
einzig und allein meiner Frau gehört und
in dem nur meine junge Frau zu Hause
ist.

21. Dez.
Ich konnte am 17. nicht weiterschreiben
und wollte es jeden dieser Tage tun und
konnte nicht.
Liebe Frau Lore, es ist etwas so Jähes
über mich gekommen — nein, nein, nicht
mit Marion, fürchten Sie nur ihretwegen
nichts — aber meine Krankheit rührt sich
wieder. Ich weiß nicht, woher, vor ein
I. Bd. Copyright 1913 by Velhagen L Klasing. Zj,

Frau Lore, ich habe noch
keine Antwort auf meinen letz-
ten Brief — die kann ja auch
noch nicht da sein — und muß
Ihnen doch wieder schreiben. Denn ich
habe Ihnen in meinem Brief wohl ein
wenig Angst gemacht, nicht um mich, son-
dern um meine junge Frau, und nun muß
ich mich beinahe eilen, das gutzumachen.
Liebe Frau Lore — ehe ich noch weiß,
wie Ihre Antwort auf mein Geständnis
und auf meine Fragen ist — liebe Frau
Lore: Es geht. Unser Zusammenleben
läßt sich gut an. Marion ist froh. Bis
jetzt ist noch keine Stunde gewesen, in der
ich ihr schönes, friedliches Gesicht trübe
oder traurig gesehen, und, wenn es so
weitergeht, soll auch keine solche Stunde
kommen. Sie ist glücklich, macht es mir in
ihrer lieben, gütigen Art leicht, mehr und
mehr die andere zu vergessen und dafür
sie immer lieber zu bekommen, ja, ich glaube
fast, einmal gelingt es. Daß ich an Ga-
briele gar nicht mehr anders denke als an
etwas sehr Fernes und Verlorenes — ganz
kann ich ja das noch nicht — und daß ich alle
Liebe, alle, alle Liebs, die ich für sie ge-
fühlt, gelitten und ist mir bekämpft habe,
alle diese Liebe neu und stark und reich
Marion schenke, die sie verdient.
In den ersten Wochen unserer Ehe —
Ihnen gegenüber kann ich ja so aufrichtig
sein — war es wohl oft nur das Mitleid
mit ihr, das mich zart und herzlich und
gut sein ließ. Denn zu oft drängte sich in
dieser ersten Zeit das Bild der anderen
Velhagen L Klasings Monatshefte. XXVIII. Jahrg. 1913/1914.
 
Annotationen