Velhagen & Klasings Monatshefte (Band 28, 1.1913/1914)

Kinderbildnis. Gemälde von Georg Schuster-Woldan


Georg und Raffael Schuster-Woldan
Von Jarno Jessen

Begeisterung für alle Fort-
schrittlichkeit gleicht dem feuri-
gen Renner, der im Schwung
der Lauffreudigkeit gutes Kul-
turland zerstampft, wenn sie nicht durch
Verehrung des Gewordenen gezügelt würde.
Wir müssen wagen, um vorwärts zu kom-
men, wir müssen Bahnbrecher haben — aber
auch Erbangesessene. Es liegt im Zug der
Zeit, daß heut dem Wagemütigen die Pal-
men zufallen. Die Kunst ist durch das Le-
ben zur Entwicklung gedrängt worden, und
durch das Leben leistet sie die wesentliche
Mission, ein Spiegel der Kultur zu sein.
Aber es gibt Ewigkeitswerte, die von dem
Wechsel der Erscheinungen unberührt blei-
ben, und sie haben dem Liebreiz der Pra^ci-
telischen Aphrodite und der Tragik des
Sophokleischen Ödipus durch alle Jahr-
hunderte Bewunderung gesichert.
Die beiden Brüder Georg und Raffael

Schuster-Woldan sind trotz ihrer Zeit ge-
feierte Künstler geworden. Ihre Entwick-
lung hat sich während der Sturm- und
Drangperiode der naturalistischen Be-
wegung vollzogen, aber Verwirrung konnte
sie nicht erfassen, weil sie sie nicht in sich
trugen. Jedem von ihnen bewahrte ein
eingeborenes Gesetz das Gleichgewicht.
Diese klare Prägung hat ein immer wach-
sendes Publikum zu ihnen geführt, denn-
es gibt auch unter den Genießenden Eigen-
naturen, Verächter der Moden. Und wer
die beiden Maler in sein Herz aufnahm, er-
lebte die Erkenntnis des altdeutschen Volks-
liedsängers: verloren ist das Schlüsselein
— Ihr müßt nun ewig drinnen sein.
Leicht ist ihnen ihre Beharrlichkeit nicht
gemacht worden, im Gegenteil. Aus dem
Tageskampf trafen sie harte Stöße, und
mancher fanatischer Kämpe wandte den an-
geblich Lauen den Rücken. Sie rangen auch