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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Heft 4 (Dezember 1913)
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Delle Grazie, Marie Eugenie: Frau Gertys Saison
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Busse-Palma, Georg: Selige Unrast
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0683

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Georg Busse-Palma: Selige Unrast 571

Sie natürlich schon etwas Zerstreuung ge-
funden?"
Sie stäubte mit einer geradezu beredten
Bewegung die Asche von ihrer Zigarette.
„Auch nicht soviel."
Er lehnte sich zurück, kniff die Augen
ein. „Kaum zu glauben."
„ Weil m i r nichts daranliegt, natürlich,"
gab sie selbstbewußt zurück.
Er beugte sich etwas vor. In seine
grün-grauen Augen trat das Glinsern, mit
dem er Weiber und Pferde zu fassen pflegte.
„Gnädige schienen mir damals schon etwas
montiert."
Ihr Blick glitt zur Seite, doch ihre
Lippen lächelten; das kühlste, fernste
Lächeln. „In einem Hotel, ich bitte Sie!
Da ist das einfach Höflichkeit."
„Danke!" quittierte er mit einer bos-
haften Verbeugung.
Sie sah ihn vollkommen unbefangen an.
„Wer wird denn gleich so gekränkt tun?
Das steht Ihnen gar nicht. Und deswegen
sind Sie doch der Erste, der mit mir wieder
Tee getrunken hat."
„Tee!" parodierte er. „Tee! Man
denke... Und mir prickelt noch immer der
Asti auf der Zunge, den Sie mir beim Ab-
schied zugetrunken haben."
Frau Gerty nickte völlig ungerührt.
„Der Asti war gut."
„Freilich war er gut, zu gut." Er ver-
schluckte etwas.
„Wie man ihn selten an einer Tadle
ä'dote trinkt," ergänzte Frau Gerty
würdevoll.
Baron Hechingen lehnte sich wieder zu-
rück. .Hindernisrennen!' fuhr es ihm aufs
neue durch den Sinn. ,Aber hol' mich der
Teufel, wenn ich sie nicht nehme. Gerade
deshalb b

Unruh' den ganzen Tag!
Woher das kommen mag?
Ach Herz, du zitterst heimlich!
Worauf nur wartst du, sag'! —

Auch Frau Gerty war Kennerin, fühlte,
daß, was bis jetzt ein Spiel gewesen, jeden
Augenblick Ernst zu werden drohte. Er
bebte ja bereits bis in die Fingerspitzen,
der Mann, der ihr vor vier Wochen ge-
fallen.
'Vielleicht gefall' auch ich ihm/ erwog
sie. ,Obwohl das Geld meine erste Chance
war bei ihm. Aber — <
Ein bleiches Antlitz schien sich plötzlich
zwischen ihn und sie zu schieben. Zwei
große, blaue Augen starrten sie an — ver-
zückt und verträumt. Tief und mächtig
schlug etwas aus ihrer Seele empor —
Die Sehnsucht.
Fast instinktiv warf sie die Zigarette
weg. —
„Ja aber, um Gottes willen, was treiben
Sie denn, wenn Sie — wenn Sie Lange-
weile haben?" platzte endlich der Baron
los. Ihre Versicherung, daß er nach so
langer Zeit ihr erster Gast gewesen, hatte
ihn völlig ratlos gemacht.
Über Frau Gertys Antlitz schien ein un-
durchdringlicher Schleier zu fallen. „O, —
ich lese." Sie lächelte höflich. „Aber kann
Sie das wirklich interessieren?"
Er rückte seinen Stuhl um einen ganzen
Schritt zurück, starrte sie an — so verdutzt
und fassungslos, daß die schöne Frau
plötzlich in ein herzliches Lachen ausbrach.
Und weil Baron Hechingen sich zum
erstenmal in seinem Leben „geschmissen"
fühlte, machte er gute Miene zum bösen
Spiel und lachte mit. —
Als er mit einem Handkuß schied, blieb
Frau Gerty noch einen Augenblick nach-
denklich stehen. 'Und das waren die
Männer, die mir einmal gefallen haben/
sprach sie mit einem leichten Kopfschütteln
vor sich hin. Merkwürdig/ (Schluß folgt)

Ich weiß es selber kaum.
Ich sah ein Licht im Traum.
Das kam von blauen Bergen
An meinen Schwellensaum.

Nun klingt es stets in mir,
Als klopf' wer an die Tür
Und sprach' mit feiner Stimme:
„Mach' auf! Ich möcht' zu dir!" —
Georg Busse-Palma

Selige Unrast
 
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