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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Heft 3 (November 1913)
DOI Artikel:
Koblanck, Alfred: Über Radium und Mesothorium und ihre Bedeutung für die Krebsbehandlung
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Manz, Gustav: Vom Lieben, Leiden und Sterben
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0431

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DLELLELEEL Gustav Manz: Vom Lieben, Leiden und Sterben 353

den an dem leicht zugänglichen Haut- und
Lippenkrebs angestellt (1905 Lassar, Heinatz,
Erner). Die Ergebnisse waren jedoch recht
schwankende. Krönig und Gauß in Frei-
bürg gebührt das Verdienst, feste Grundlagen
für die Strahlenbehandlung der Geschwülste,
und zwar besonders der tiefliegenden, ge-
schaffen zu haben. Zwei wichtige Forderun-
gen stellten sie auf: 1. große Mengen der
Substanz anzuwenden und 2. die weichen
«- und /j-Strahlen, die die Haut schädigen,
durch dichtes Metall abzufiltrieren, so daß
nur die durchdringenden -- Strahlen übrig
bleiben. Durch Befolgen dieser Vorschriften
sind früher ungeahnte Resultate erzielt wor-
den. Selbstverständlich sind jedoch die Gren-
zen der Leistungsfähigkeit der neuen Behand-
lungsmethode durchaus noch nicht festgelegt.
Die Ergebnisse sind hauptsächlich von fol-
genden Momenten abhängig: Zunächst kommt
es auf die Ausbreitung der Erkrankung an;
ist der Krebs schon weit vorgeschritten, so
können die Strahlen nur die Beschwerden
lindern, mit einer Heilung dürfen wir nur
im Beginn des Leidens rechnen. Sodann
ist der Sitz der Neubildung wichtig: der
Krebs der Haut, der in seiner ganzen Ent-
wicklung überhaupt der günstigste ist, wird
am besten und schnellsten beeinflußt, danach
folgen die Erkrankungen leicht zugänglicher
Organe: Lippe, Brustdrüse, Gebärmutterusw.;
die Wirkung auf die im Körperinneren lie-
genden Geschwülste ist am unsichersten.
Eine große Rolle spielt endlich die Art
der Behandlung: die Vorbereitung des kran-
ken Gewebes mit hochgespannten elektrischen
Strömen, die Wahl der Quantität und
Qualität der Strahlen, die Dauer ihrer Ver-
wendung, die Kombination mit Röntgen-
strahlen, die Unterstützung der Kur mit
chemischen, in die Blutbahn eingeführten
Mitteln, die Stärkung der Kräfte der Pa-
tienten.
Bei der Neuheit und Kompliziertheit der

Strahlenbehandlung ist es nicht wunderbar,
daß die Ansichten der Arzte über ihren
dauernden Wert weit auseinandergehen:
einige betrachten infolge der verblüffenden
primären Erfolge die radioaktiven Sub-
stanzen als das Krebsheilmittel; und ich
gestehe, daß ich selbst infolge eigener Be-
obachtungen und Erfahrungen, wie schnell
und leicht das Krebsgewebe zerstört und
durch gesundes ersetzt wird, das größte Zu-
trauen zu der neuen Heilmethode gewonnen
habe. Andere Ärzte sind nicht so fest von
der Verläßlichkeit der Strahlen überzeugt,
sie wollen sie nur angewendet wissen, um die
Beschwerden unheilbarer Kranker zu lindern.
Noch andere benutzen die Strahlen nur, um
nach der Operation die noch im Gewebe
schlummernden Krebskeime abzutöten. Und
endlich gibt es Skeptiker, die im Hinblick
auf die nicht seltenen schweren Enttäuschungen
in der praktischen Medizin die Strahlen-
behandlung nur für einen schnell vorüber-
gehenden Heilversuch ansprechen; es ist nicht
schwer, diesen Zweiflern die schon erreichten,
nicht abzustreitenden Erfolge entgegenzuhal-
ten. Selbstverständlich ist jedoch eine strenge
Kritik notwendig. Diese läßt uns beachten,
daß es bei ausgebreitetem und tief im Körper
liegendem Krebs auch durch Anwendung gro-
ßer Mengen radioaktiver Substanz nicht ge-
lingt, alle krankhaften Zellen zu zerstören,
sie führt uns dazu, die oben erwähnten
Hilfsmittel (hochgespannte Ströme, chemische
Mittel usw.) anzuwenden, um die Ergebnisse
noch weiter zu verbessern.
Jedenfalls befinden wir uns in der be-
deutendsten Epoche der Krebsbehandlung.
Überall wird die Notwendigkeit erkannt, große
Geldmittel zu sammeln, um den Stätten
theoretischer und praktischer Forschung ge-
nügende Mengen Radium und Mesothorium
zur Verfügung zu stellen und schon jetzt
auch den unbemittelten Kranken die Wohl-
tat dieser neuen Heilmethode zu verschaffen.

g Vom Lieben, Leiden und Sterben g
--- Ein paar Novembergedanken von Gustav Manz
Es kann auch eine „posthume" Untreue geben. Aber welche Feigheit W
--- liegt darin! Man glaubt sich straffrei, weil der Beleidigte tot ist. DH
Es ist eine alte Wahrheit: wer früh stirbt, ist glücklich. Keine
--- Schwächen können sein Bild mehr entstellen, und die Erinnerung der
---- Nachlebenden sieht nur noch das Gute an ihm. Er hat gleichsam vom
Schicksal eine „Vorgabe" erhalten, die ihm den „Gewinn" sichert.
Im Blätterrauschen des Waldes welche Größe und Fülle! Jeder DH
Baum ein Trost und ein Beispiel: erdgebunden, aber himmelstrebend!
Viele Menschen gelangen durch ihren Tod in ein „besseres W
Diesseits" — im verschönernden oder verzeihenden Gedächtnis der
Überlebenden.
Velhagen <L Klasings Monatshefte, xxvm. Iahrg. 1913/1914. I. Bd. 23
 
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