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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Heft 2 (Oktober 1913)
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Vom Schreibtisch und aus dem Atelier
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Wegener, Georg: Ein Tag bei mir
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0273

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VomSchreibtisch und aus dem Melier
Ein Tag bei mir
Dichtung und Wahrheit von Georg Wegener

kurzen: fiel mir ein Schreibheft
MW aus meiner Tertianerzeit in die
Hand, das ich mit dem größten
Vergnügen wieder einmal durch-
las. Unter der Überschrift „Ein
Tag bei mir", enthält es einen Versuch des
Knaben, seine Zukunftsträume über sein
künftiges Dasein literarisch festzuhalten. Ge-
wählt wird dazu die Form der Erzählung der
Erlebnisse eines einzelnen Tages etwa aus
dem fünfzigsten Lebensjahr; denn dem Ver-
fasser schwebt seine Existenz dabei in einer
gewissen Abgeschlossenheit vor, wo die Rei-
fen und Abenteuer, die er ersehnt, schon
hinter ihm liegen, sonst aber noch Vollkraft
und Vollgenuß herrschen. Drollig erstrebt
er dabei, den Ton des Erwachsenen zu
treffen, durch nüchterne realistische Einzel-
heiten den Anschein der Echtheit zu erwecken
und mit Vorbedacht alles Besondere und
Ausnahmsweise des Geschehens, woran sonst
seine literarischen Versuche jener Zeit gerade
übervoll sind, auszuschalten, damit dieser
Tag eben ganz als ein alltäglicher und
typischer erscheine.
Die Schilderung beginnt folgendermaßen
(ich ändere natürlich außer der chaotischen
Orthographie nichts): „Der Wecker tönte
laut durch die nächtliche Stille, und ich er-
wachte. Noch umgab Dämmerung mich,
und kaum ließ das ungewisse Licht Gegen-
stände erkennen. Ich rüttelte mich aus Mor-
pheus' Armen und sprang aus dem Bette.
Nachdem ich Licht angezundet hatte, warf
ich mir den schon bereitliegenden Schlaf-
rock über, öffnete dann die nach dem Meere
hingehende Flügeltür und betrat die mar-
morne, säulentragende Plattform, an deren
Marmorstufen die Flut wie die Ebbe spült.
Lautlose Stille war umher. Langsam zogen
die Wellen, die Atemzüge des Ozeans, heran;

sie bewährten den Namen des ^Stillen
Meeres'. In unvergänglicher Klarheit strahl-
ten am Himmel die Prachtgestirne des Sü-
dens. Hoch am Südpol thronte des südlichen
Kreuzes Wunderlicht; der König der Pla-
neten, Jupiter, leuchtete am Horizont; ,ein
Liebesglanz, dringt Venus aus der Ferne,
ein Geisterblitz, strahlt Sirius der Nacht .
Gastlich lockten die kühlen Wellen, und bald
versenkte ich mich in die Wasser des Großen
Ozeans: ich nahm mein allmorgendliches
Bad. Mein Hund, derselbe Neufundländer,
der mich auf meinen Jagd- und Erforschungs-
zügen begleitet hatte, war mit herausgekom-
men; er schlief allnächtlich vor meinem Bett.
Als er mich auch im Wasser erblickte, sprang
er augenblicklich mit hinein usw."
Der Verfasser träumt sich also auf eine
Südseeinsel, die, mehrere Quadratmeilen
groß, ihm gehört. Auf dieser ist alles unter-
gebracht, was ihm begehrenswert erscheint.
Neben dem selbstverständlichen treuen Hunde
fehlt auch der windschnelle Rappe natürlich
nicht; er kommt noch.
Der vom Bad Erfrischte erwartet dann
auf der Plattform den Aufgang der Sonne,
was Veranlassung gibt, das Anwesen weiter
zu schildern. „Da glitt ein Strahl über
die Fläche des Ozeans und vergoldete die
Spitzen der dunklen Wellen. Empor in
flammender Majestät steigt der feurige, le-
benspendende Ball. Mit herrlichem Licht
übergoß er die Terrasse mit ihren marmor-
nen Säulen, ihren schön geschwungenen
Bogen, die die blumengeschmückte, rings um
die Front laufende Galerie trugen. Bald
hörte man aus dem Walde die Stimmen
der erwachenden Vögel. Erst einige, dann
mehr, endlich fiel der ganze Chor der befie-
derten Sänger ein. Darein mischt sich das
Geschrei der Wasservögel, die ich mir in
 
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