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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Heft 2 (Oktober 1913)
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Hoffensthal, Hans von: Marion Flora [2]: Roman : (Fortsetzung)
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Pogge, Günther: Herbsttag
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0245

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Günther Pogge
ung nicht draußen in Gandegg, sondern
lieber in einem großen Hotel in Bozen.
Und darin lasse ich ihr gern ihren Willen."
„Wie in allem," setzteBine rasch hinzu,
bekam aber von Mama einen Blick, der sie
bat: ,Nicht vor anderen.'
„Dann reisen wir, soweit wir bis jetzt
ausgemacht haben, in ein Seebad. Gabi
kennt noch so wenig und interessierte sich
sehr für die Insel Wigth. Freilich ginge
dabei mein Urlaub zu Ende, da ich Sep-
tember wieder ins Bureau eintreten und
die Versäumnisse dieses Jahres, so gut es
geht, nachholen möchte. Schließlich, wenn
man so lange ausgespannt hat, freut man
sich selbst wieder auf seinen Beruf und zu-
rück in sein Heim, und da Gabi sich auch
zu sehr auf unser Leben in Wien freut,
eile ich mich natürlich besonders.
Ach, was erzähle ich da von meinen
Sommer- und Herbstplänen, jetzt schon, da
es bei Euch noch nicht einmal richtiger
Frühling ist. Aber weißt, Mama, es geht
mir eben schon so gut, daß meine Hoffnun-
gen auf das Sommerglück all den Mo-
naten bis dahin schon vorauseilen, vor
lauter Ungeduld und Vorfreude. — Du
gehst also mit Bine Mitte Mai nach Flo-
renz. Und bleibst sechs Wochen. Wiewird
sich Bine freuen, die ja immer so von Ita-
lien schwärmte, und wie freue ich mich für
Euch, denn auch Dir, Mutter, wird es
prächtig gefallen. Dann, denk' nur, Mitte
Juli kommt Ihr nach Maria Himmelfahrt,
und ein paar Tage darauf — kaum, daß
Ihr Zeit habt, mein Zimmer ein bißchen

Herbsttag 191
instand zu setzen — komme ich, gesund und
froh, und fliege Dir, liebste Mutter, gerades-
wegs in die Arme.
Grüße Bine, grüße, wenn Du auf den
Berg kommst, die Floras. Einen innigen
Kuß von Deinem
Walter."
„Danke," sagte Heinz Flora. Und ein
leiseres „Danke" kam auch vom Fenster
herüber, dort, wo Marion saß und hin-
aussah.
Über den Hellen, lichten Frühlings-
himmel, aus dem vor einer Stunde noch
warm und golden die milde Sonne ge-
strahlt, waren graue Wolken gezogen, die
ein schwacher Wind vom Süden her vor
sich herschob. Die große Lärche nahe dem
Hause hatte ihre Zweige noch kahl; denn
die winzigen, roten Bürstchen, die sich eben
erst aus den kleinen Knospen freimachten,
waren kaum zu sehen. Die Birken, die am
Zaun standen, hatten aber schon schmuckes
junges Laub, und der Flieder an der Hecke
grünte. Amselweibchen huschten durch die
Zweige, raschelten im dürren Laub und
hatten mit Nestbauangelegenheiten und
Würmerdebatten alle Schnäbel voll zu tun.
Freilich, die Amselmännchen kümmerten
sich um ihrer Hausfrauen Sorgen nicht.
Ganz hoch oben, zu höchst in den Bäumen,
ein hoher Sopran auf dem krummen
Lärchenwipfel, ein Alt auf der Linde,
saßen sie und sangen ihre Hellen Lieder ein-
einander zu.
Ein leiser Frühlingsregen fiel.
(Fortsetzung folgt)

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Herbsttag
Vereinzelt hängt am Strauchwerk noch ein Blatt,
Trübselig gelb, der Sommersonne satt,
Der Wind vergaß es, als er in den Kies
Des Gartenwegs die müden Blätter blies.
Aus feuchtem Rasen, zwischen welkem Grün,
Taucht einer Gladiole spätes Glühn,
Der breite Stengel, der die Blüte trägt,
Hat sich gesenkt und tief ins Gras gelegt.
Wo alles stirbt, so schwer die Nebel gehn,
Mag sie nicht aufrecht zwischen Totem stehn
Und drängt des kurzen Lebens roten Schein,
Den Kelch geneigt, in fremden Tod hinein.
Günther Pogge
 
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