Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

DOI issue:
Heft 3 (November 1913)
DOI article:
Schmidt, Karl Eugen: Pariser Kunstschulen
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0548

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext

Das Atelier Bonnats in Paris
Gemälde von Otto Dörr in der Kgl. Gemäldegalerie zu Dresden

Pariser Kunstschulen. Von Karl Eugen Schmidt

ist das Zentrum des heutigen
Kunstlebens, das können wir nicht
leugnen. Was vor hundert Jah-
ren Rom war, ist jetzt Paris,
und eigentlich muß man sich dar-
über wundern, daß dies erst jetzt so gekom-
men ist. Wäre Paris zur Zeit des Sonnen-
königs der Mittelpunkt der Kunstbestrebungen
gewesen, so wäre das nur ganz natürlich,
denn nirgendwo in Europa gab es vor drei-
hundert Jahren einen reicheren, glänzenderen
und üppigeren Hof als in Versailles, und
die Kunst pflegt sich mit und durch den
Reichtum und den Luxus zu entfalten. Aber
damals war Paris sowenig das Zentrum
der bildenden Kunst wie in den folgenden
zweihundert Jahren. Der Sonnenkönig gab
sogar den ersten handgreiflichen Beweis
unter allen europäischen Monarchen dafür,
daß Rom der Mittelpunkt der Kunst war:
er stiftete die heute noch bestehende Einrich-
tung einer französischen Akademie in Rom
Und ließ jedes Jahr mehrere vielversprechende
junge Maler und Bildhauer zu ihrer Aus-
bildung nach der ewigen Stadt schicken. Und
obgleich im 17. und erst recht im 18. Jahr-
hundert Paris schon tonangebend für die
Kunstmode geworden war, blieb Rom an der
Spitze bis in unsere Tage hinein.
Erst im Anfänge des 19. Jahrhunderts
kamen vereinzelte fremde Künstler nach Pa-

ris, um bei David zu studieren, im zweiten
Drittel zogen Delacroix, Ingres, Couture
schon mehr ausländische Schüler an, dann
übte auch die Schule der Landschafter von
Barbizon ihre Wirkung aus, aber all das
tat der alten Anziehungskraft der Tiberstadt
nur wenig Abbruch: von hundert deutschen,
englischen oder russischen Künstlern, die vor
hundert und auch vor fünfzig Jahren noch
in die Fremde zogen, um sich zu vervoll-
kommnen, gingen gewiß neunundneunzig
nach Rom. Was David und Ingres, Millet
und Rousseau, Courbet und Delacroix nicht
vermocht hatten, brachten in den letzten
dreißig Jahren die Genossen und Nachfolger
Manets fertig, und so haben wir das Wun-
der erlebt, daß Paris zum Mittelpunkt der
bildenden Kunst wurde, als es in politischer
Beziehung lange nicht mehr an der unbe-
stritten ersten Stelle stand.
Das Zauberwort vom Impressionismus
hat dieses Wunder vollbracht. Die modernen
Stürmer und Dränger warfen im jugend-
lichen Übereifer ins Feuer, was man bisher
angebetet hatte, und stellten neue Götter an
die Stelle der alten. Und die neue Losung
hatte einen solchen Erfolg, daß sie im Laufe
eines kurzen Jahrzehnts die bisher zu Recht
bestehenden internationalen Kunstverhältnisse
auf den Kopf stellte. Die ewige Roma wurde
durch die moderne Lutetia besiegt und in den
 
Annotationen