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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Kiene, Hans: Sommerliche Schi-Fahrt durch die Ortlergruppe
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https://doi.org/10.11588/diglit.54883#0082

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58 Hans Kiene:

zurückgekehrt waren. Dort verabschiedete
sich Groaz von uns, nachdem er uns die
weitere Begleitung, einen nur Krautwelsch
und Zwischendeck-Englisch sprechenden Träger
und seine zwei Jungen im Alter von neun
und zwölf Jahren, vorgestellt hatte. Der
zweistündige Weg bis hinauf zur Malga an
der Baumgrenze war gerade keine große
Annehmlichkeit; die schweren, ungeschickt den
Rücken belastenden „Bretteln" drückten ganz
gehörig; dazu waren auch die Rucksäcke ziem-

lich gewichtig, und die Sonne war von einer
erbarmungslosen Wärme. Doch dieser zwei-
stündige Anmarsch war das einzige Stück
Weg, auf dem wir die Schier als Last emp-
fanden. Auf der Malga angekommen raste-
teten wir gründlich und nahmen das zweite
Frühstück; dann schleppten wir unser Gepäck
noch etwa eine halbe Stunde weiter in den
öden Kessel des Mozgletschers hinein, von wo
aus es unsere Begleiter mit dem noch seit
dem Baue der Viozhütte (1909) bestehenden
Drahtseilaufzuge hinaufbeförderten. Wir selbst

erreichten, ohne Sack und Pack wie die Vögel
emporflatternd, auf dem wunderbar angeleg-
ten neuen Steige um die Deut' del Moz
herum am frühen Nachmittage die 1911
eröffnete Hütte der Sektion Halle des
deutschen und österreichischen Alpenvereins,
mit ihrer Höhe von 3535 iu die höchstge-
legene Hütte in den Ostalpen. Unsere
Schier und Rucksäcke waren natürlich längst
schon da. Sofort nach dem Mittagessen
wurde denn auch angeschnallt, und wir zer-
kratzten zunächst mit
großem Eifer und
unter lebhafter An-
teilnahme der beiden
Hüttenwirtschafterin-
nen, die noch nie einen
Schi-Fahrer gesehen
hatten, dieSchneehänge
neben der Hütte mit
unseren Bogen und
Schwüngen. Später er-
stiegen wir den nahen
Gipfel des Monte Moz
selbst, hatten pracht-
volle Fernsicht bei
seltsamerAbendbeleuch-
tung und querten, sacht
abfahrend, auf die
erste Kuppe des Col
Moz hinüber, von
wo aus wir ein Stück
unserer morgigen Tä-
tigkeit, die Abfahrt
zum Passo della Ve-
dretta rossa und den
Aufstieg auf den Pa-
lon della Mare, günstig
überblicken konnten. —
Sechs Uhr früh.
Nebel, dichter, schim-
mernder Nebel, so daß
man kaum zehn Schritt
weit sehen kann! Miß-
gestimmt sitzen wir in
dem behaglich getäfel-
ten Hüttenraum, trin-
ken Tee und halten
Kriegsrat ab. Eine
sonst nicht so schnell
erzielbare Einstimmig-
keit kommt zustande:
Der Übergang in die-
UI seinzumSchneiden dich-
ten Nebel durch eine
Gegend, die keiner von uns kannte, durfte
nicht gewagt werden. Und so trödeln wir
halt in den Tag hinein.
Endlich scheint sich's ein wenig aufzutun!
Ein guter Wind fährt hinein. Die Punta
Taviela ist für Augenblicke frei und das
Rifugio Mantova, welches tief unten an
ihrem Fuße liegt. Von den weiten Glet-
schern des östlichen Ortlergebietes fällt's
wie Schleier hinab ins Val Venezia. Ver-
einzelt zuckt da und dort ein schwacher
Sonnenstrahl über die hartgeballten, weißen


Übersichtskarte des Ortlergebiets
 
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