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Velhagen & Klasings Monatshefte — Band 28, 1.1913/​1914

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Brachvogel, Carry: Der Prinzgemahl
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138 Carry Brachvogel:

Navarra usw. die frühzeitige Einheit ihres
Landes, und Österreich erwarb sich ganz
buchstäblich den Ruf des glücklichsten euro-
päischen Hochzeiters.
Die allererste, blasse Silhouette eines
Prinzgemahls finden wir in dem späteren
Kaiser Maximilian i., der als Erzherzog die
von sieben Prinzen umworbene Erbtochter
Maria von Burgund heimführte. Oder rich-
tiger gesagt, sie führte ihn heim, denn er
zog, ganz wie sich's für einen Prinzgemahl
gebührt, von seiner Heimat fort zu der jungen
Frau und dem Schwiegervater, wurde dar-
um und wohl auch aus Mißtrauen von den
Burgundern so scheel angesehen, wie man
nur einen armen Schlucker ansehen kann,
der eine Millionärin geheiratet hat. Und
als er nach dem frühen Tode der Maria
seine Prinzgemahlhaftigkeit abstreifen und
als Vormund für seinen kleinen Sohn re-
gieren wollte, nahm ihn das Volk seiner
Frau einfach gefangen und hielt ihn drei
Monate lang in Brügge fest. Da er aber
offenbar Talent und Lust zum Prinzgemahl
hatte, vermählte er sich später abermals mit
einer Erbtochter, mit Anna von der Bretagne,
bei der er aber zu seinem Bedauern weder
Gemahl noch Prinzgemahl werden konnte,
weil Karl Vin. von Frankreich fand, daß
die Bretagne auch für den französischen
Magen ein feiner Bissen sei und deshalb
dem deutschen Herrn die Braut vor der Nase
wegeskamotierte.
Deutlicher noch prägt sich der Typ des
Prinzgemahls in dem spanischen Philipp II.
aus, der als Jnfant und junger Witwer auf
Befehl seines Vaters, Karls V., nach London
fuhr, um Maria Tudor zu heiraten. Schlank,
elegant und entzückend dekadent aussehend,
wie ihn sein Bild in Westminster-House
zeigt, trug er die Krone Neapels auf dem
Haupte, die Anwartschaft auf die spanische
in der Tasche und gab sich die größte Mühe,
angenehm auf die englische Bevölkerung zu
wirken und leutselig zu sein. Die Engländer
aber sahen ihn noch viel geringschätziger an,
als seinerzeit die Burgunder den Maximi-
lian angesehen hatten, denn sie wußten genau,
daß er wohl zwei Kronen aber gar kein
Bargeld mitbrachte und daher immerfort
in der peinlichsten finanziellen Abhängigkeit
von der Königin stand. So blieb er denn,
obschon die Königin ihn anbetete und ob-
schon er seinen Einfluß auf sie nicht miß-
brauchte, für die geldtüchtige Nation immer-
fort nur der Mann seiner Frau, und weder
die Engländer noch Philipp konnten den
Tag erwarten, an dem sie sich endlich sagen
durften: ^voli kor ovor!" Immerhin
wäre er später, nach dem Tode seiner Maria,
von Herzen gern, aber natürlich nur aus
politischen Rücksichten, der Prinzgemahl seiner
Schwägerin, der englischen Elisabeth, ge-
worden. Die schlaue Angelsächsin verstand
aber sehr gut, daß ihre Zeit und ihr Land
noch nicht reif waren für einen richtigen
Prinzgemahl, daß es für Herrscherinnen per-

sönliche und nationale Selbständigkeit nur
ohne den Mann, niemals neben ihm geben
konnte; darum blieb sie, wenn auch nicht
eine jungfräuliche, so doch eine unvermählte
Königin, genau so wie späterhin die große
Katharina von Rußland trotz Orloff und
Potemkin Witwe bleiben wird. Der erste
vollgültige Prinzgemahl, so, wie wir ihn
uns denken und wie ihn witzige Komödien-
schreiber uns teils in historischen, teils in
modernen Stücken gezeigt haben, ist dann
„der Franzl", der Großherzog von Toskana,
den das Schicksal verurteilte, der Mann von
Maria Theresia zu werden. Verurteilte —
das Wort klingt hart und mag manchen in
Erstaunen setzen, der stets nur von der
großen Liebe der Kaiserin las, die dem
Manne ihrer Wahl (sie hatte wirklich nach
ihrem Herzen wählen dürfen!) so viele
Kinder geboren hatte und sich kein Glück
der Welt ohne ihn denken konnte. Ja, das
war wohl alles schön und gut, aber trotz
aller Liebe, die er empfing und wieder-
gab, blieb der Franzl doch zeitlebens der
Mann im Schatten. Denn wenn seine rührige
und verliebte Frau ihm auch die deutsche
Kaiserkrone verschafft hatte und um seine
Zärtlichkeit eiferte wie eine kleine Bürgers-
frau, so schnauzte sie ihn doch bei Staats-
ratssitzungen an, als wäre er ein dummer
Schuljunge, widerlegte wohl auch seine Ein-
wände über persönliche Angelegenheiten mit
den scherzhaft gesprochenen, aber ernst gemein-
ten Worten: „Ich bin kein so armer Hascher,
wie der deutsche Kaiser!" So musterhaft
aber auch die Subordination dieses Gatten
war, so hieß er, der Kaiser, natürlich nicht
offiziell „Prinzgemahl", vielmehr mußten erst
noch Jahrzehnte vergehen, ehe für den Mann
der jungen Viktoria von England die ver-
bürgerlichende und begrenzende Bezeichnung
„Prince-Consort" erfunden wurde. Es ist
kein Zufall, daß der erste, tadellos richtige
Prinzgemahl gerade in England, in dem
Land, das vor allen anderen Verfassungs-
und Frauenrechte besaß, erschaffen wurde;
denn sie beide sind zur Existenz des Prinz-
gemahls nötig, wenn sie ihn auch anderseits
Schwierigkeiten darbieten, von denen sich der
flüchtige Beobachter kaum etwas träumen läßt.
Diese Schwierigkeiten beginnen schon mit
und vor der Verlobung, wenn der junge
Prinz nicht wie andere Männer seines Alters
hingeht oder hinreist und anhält, sondern
um sich anhalten läßt. Das königliche Mäd-
chen spricht das erste Wort, das sonst der
Freier spricht, und wenn auch der formelle
Antrag dann von feiten des Prinzen kommt,
so weiß doch jeder, er selbst am besten, daß
er es nie hätte wagen dürfen, ohne deutliche
Ermunterung das Ja zu erbitten, wie es
ihm auch nicht zustünde, die auf ihn gefallene
Wahl abzulehnen. Nachdem er, der Freier,
sich also in die Rolle des Mädchens geschickt
hat, packt er seine Koffer, verläßt, ganz als
ob er die Braut und nicht der Bräutigam
wäre, Heimat, Familie, Freunde, alles, wor-
 
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