lüEEEEEELEEEELEEEEll Marion
quälende Ruhe unterbräche, hinaus in die
Nacht. Aber da war nur vielleicht ein
kurzes Flattern eines Geiers, der schlaf-
müde seinen Rastplatz auf der nahen Palme
gewechselt, und nur von ferne, vom großen,
heiligen Strom her klang der Ruf eines
Wächters auf einer Dahabie, an deren
Bug ein später Schiffer zu nahe vorüber-
Zog-
Dann und wann kam es vor, daß em
Schwarm von Vögeln, der in den Seen
und Mooren des Delta die Winterplätze
hielt, mit seinem Futterort nicht mehr zu-
frieden war, unversehens in einer Nacht
sich vom Wasser erhob und ein paar
Meilen stromaufwärts segelte. Da kam
vom Norden her feines Sausen, Helles
Pfeifen, ein Schwirren — ein paar War-
nungsschreie schufen Ordnung in einem
eilenden Flug, der unsichtbar über Häuser
und Bäume dahinstrich. Erst drüben wie-
der am Nil, wo stille, Helle, ruhige Wasser-
flächen waren, senkte sich die Schar. Es
waren zumeist Enten, aber auch für Wild-
gänse und Kraniche kamen Mondnächte,
in denen sie unstet wanderten und nach
fernen Heimatsaaten sich sehnten.
Zugleich mit den Zugvögeln, deren
Schwärme er zuweilen in schlafarmen
Nächten hörte, war Walter nach Ägypten
gekommen, und zugleich mit ihnen, sobald
die ersten schon ihre Flüge wieder nord-
wärts wagten, wollte auch er wieder
heim. Bis dahin mußte er ja gesund
sein.
Noch, noch war er es nicht. Und wenn
er auch vor der Schwester schon in den
ersten Tagen seines Hierseins sich gemüht
hatte, sich gesünder und frischer zu geben
— vor sich, in den Stunden, wenn er allein
war, verbarg er es nicht, daß bis jetzt die
gerühmte Wüstenluft von Ägypten an
seinem Leiden nichts geändert hatte.
Zeit, Gelegenheit für eine Besserung
wäre ja gewesen. Neun Wochen schon lag
er still, untätig, nur der Genesung lebend,
auf der Terrasse und sog jeden Atemzug
dieser Heilung verheißenden Luft so tief
ein, als käme er für jeden langen Atemzug
einen Tag früher nach Hause. Aber der
Husten war noch unverändert, begann
jeden Abend, nach Sonnenuntergang, wich
den Mitteln, die ihn bannen sollten, für
ein paar Stunden und kam dann quälend,
Flora 183
schmerzend, ermattend um Mitternacht
wieder. Auch wenn er dann schlief, er-
schöpft, oft so ermüdet, als hätte er den gan-
zen Tag flüchtige Genisen in weißen Karen
verfolgt, klopfte die Krankheit am Morgen
an seiner Tür wieder an. Und nicht selten,
wenn dann der Frühhusten ihn peinigte,
kam Blut.
In den ersten Tagen des Januar —
war dies nun der ersehnte Beginn der
vollständigen Heilung? — ließen fast alle
Beschwerden in einer auffallenden Weise
nach. Der Husten zeigte sich nur mehr
nach dem Erwachen, und auch als der
Arzt am Abend mit den Beruhigungs-
mitteln sparsamer wurde, um den Körper
nicht zu sehr des eigenen Widerstandes zu
entwöhnen, waren die Nächte ruhig, ohne
Hustenanfälle und ohne die früher so oft
durchlittene ängstliche Beklemmung. Und
ganz natürlich hob sich mit dem Schwinden
der Beschwerden, die ihn bisher immer an
sein Kranksein gemahnt, auch seine Stim-
mung. Er wurde heiter, aufgeräumt, und
war einen Tag, an dem ihn nicht eine
Mahnung seines Leidens gestört hatte, so
übermütig, daß er ganz ernsthaft Bine
den Vorschlag machte, sie wollten jetzt
reisen.
Die sah ihn nur so an: „Ja, bist du
denn verrückt?"
„Verrückt nicht, Schwesterchen, nur mit
einem Male gesund."
Nun, der Arzt, der am andern Morgen
wiederkam, hielt die jähe Reiselust ein
wenig in Schach. „Es geht ja wirklich vor-
wärts, prächtige Fortschritte in den paar
Wochen, aber nicht wahr, bis zum Heim-
reisen hat's doch noch seine Zeit."
Walter fügte sich. Er sah ein, daß er
jetzt, da ihm der Aufenthalt gut zu tun
begann, nicht fliehen dürfte. Aber er
drängte, daß wenigstens Bine heimkehrte.
„Schau, ich hab' dich jetzt wirklich nicht
mehr nötig, und Mama — das wissen
wir beide — ist um jeden Tag froh, den
sie nicht mehr allein ist."
Bine wollte noch nicht.
„Ja, Mama," sagte sie, „das ist wahr.
Aber wenn du dich nun nicht so rasch
weitererholst wie bisher, so haben Mama
und ich nichts von meiner Heimreise."
Und sie gab nicht nach, sondern erklärte
entschieden und fest in ihrer tapferen Mäd-
quälende Ruhe unterbräche, hinaus in die
Nacht. Aber da war nur vielleicht ein
kurzes Flattern eines Geiers, der schlaf-
müde seinen Rastplatz auf der nahen Palme
gewechselt, und nur von ferne, vom großen,
heiligen Strom her klang der Ruf eines
Wächters auf einer Dahabie, an deren
Bug ein später Schiffer zu nahe vorüber-
Zog-
Dann und wann kam es vor, daß em
Schwarm von Vögeln, der in den Seen
und Mooren des Delta die Winterplätze
hielt, mit seinem Futterort nicht mehr zu-
frieden war, unversehens in einer Nacht
sich vom Wasser erhob und ein paar
Meilen stromaufwärts segelte. Da kam
vom Norden her feines Sausen, Helles
Pfeifen, ein Schwirren — ein paar War-
nungsschreie schufen Ordnung in einem
eilenden Flug, der unsichtbar über Häuser
und Bäume dahinstrich. Erst drüben wie-
der am Nil, wo stille, Helle, ruhige Wasser-
flächen waren, senkte sich die Schar. Es
waren zumeist Enten, aber auch für Wild-
gänse und Kraniche kamen Mondnächte,
in denen sie unstet wanderten und nach
fernen Heimatsaaten sich sehnten.
Zugleich mit den Zugvögeln, deren
Schwärme er zuweilen in schlafarmen
Nächten hörte, war Walter nach Ägypten
gekommen, und zugleich mit ihnen, sobald
die ersten schon ihre Flüge wieder nord-
wärts wagten, wollte auch er wieder
heim. Bis dahin mußte er ja gesund
sein.
Noch, noch war er es nicht. Und wenn
er auch vor der Schwester schon in den
ersten Tagen seines Hierseins sich gemüht
hatte, sich gesünder und frischer zu geben
— vor sich, in den Stunden, wenn er allein
war, verbarg er es nicht, daß bis jetzt die
gerühmte Wüstenluft von Ägypten an
seinem Leiden nichts geändert hatte.
Zeit, Gelegenheit für eine Besserung
wäre ja gewesen. Neun Wochen schon lag
er still, untätig, nur der Genesung lebend,
auf der Terrasse und sog jeden Atemzug
dieser Heilung verheißenden Luft so tief
ein, als käme er für jeden langen Atemzug
einen Tag früher nach Hause. Aber der
Husten war noch unverändert, begann
jeden Abend, nach Sonnenuntergang, wich
den Mitteln, die ihn bannen sollten, für
ein paar Stunden und kam dann quälend,
Flora 183
schmerzend, ermattend um Mitternacht
wieder. Auch wenn er dann schlief, er-
schöpft, oft so ermüdet, als hätte er den gan-
zen Tag flüchtige Genisen in weißen Karen
verfolgt, klopfte die Krankheit am Morgen
an seiner Tür wieder an. Und nicht selten,
wenn dann der Frühhusten ihn peinigte,
kam Blut.
In den ersten Tagen des Januar —
war dies nun der ersehnte Beginn der
vollständigen Heilung? — ließen fast alle
Beschwerden in einer auffallenden Weise
nach. Der Husten zeigte sich nur mehr
nach dem Erwachen, und auch als der
Arzt am Abend mit den Beruhigungs-
mitteln sparsamer wurde, um den Körper
nicht zu sehr des eigenen Widerstandes zu
entwöhnen, waren die Nächte ruhig, ohne
Hustenanfälle und ohne die früher so oft
durchlittene ängstliche Beklemmung. Und
ganz natürlich hob sich mit dem Schwinden
der Beschwerden, die ihn bisher immer an
sein Kranksein gemahnt, auch seine Stim-
mung. Er wurde heiter, aufgeräumt, und
war einen Tag, an dem ihn nicht eine
Mahnung seines Leidens gestört hatte, so
übermütig, daß er ganz ernsthaft Bine
den Vorschlag machte, sie wollten jetzt
reisen.
Die sah ihn nur so an: „Ja, bist du
denn verrückt?"
„Verrückt nicht, Schwesterchen, nur mit
einem Male gesund."
Nun, der Arzt, der am andern Morgen
wiederkam, hielt die jähe Reiselust ein
wenig in Schach. „Es geht ja wirklich vor-
wärts, prächtige Fortschritte in den paar
Wochen, aber nicht wahr, bis zum Heim-
reisen hat's doch noch seine Zeit."
Walter fügte sich. Er sah ein, daß er
jetzt, da ihm der Aufenthalt gut zu tun
begann, nicht fliehen dürfte. Aber er
drängte, daß wenigstens Bine heimkehrte.
„Schau, ich hab' dich jetzt wirklich nicht
mehr nötig, und Mama — das wissen
wir beide — ist um jeden Tag froh, den
sie nicht mehr allein ist."
Bine wollte noch nicht.
„Ja, Mama," sagte sie, „das ist wahr.
Aber wenn du dich nun nicht so rasch
weitererholst wie bisher, so haben Mama
und ich nichts von meiner Heimreise."
Und sie gab nicht nach, sondern erklärte
entschieden und fest in ihrer tapferen Mäd-