in dir das, was nicht mehr mein ist, das
Süßeste der Erde, die Jugend. Die Liebe
lieb' ich in dir, die mir nicht mehr gehören
kann. Du holdes Geschöpf, wie dank' ich
dir, daß du mir diesen letzten Blick in eine
Maienlandschaft geschenkt hast; ich nehme
ihn in meinen Winter hinüber."
Er weinte ungehemmt auf ihren Schei-
tel. Dann riß er sich mit blutendem Herzen
los und schied.
Damals verstand sie ihn nicht und grollte
ihm lange, lange. Sie hatte ihm alles
geben wollen: Jugend, Liebe, Glückselig-
keit. Das gehörte ja doch ihr, sie konnte es
schenken, wem sie wollte. Er brauchte nur
die Hand auszustrecken, so war alles sein.
Er aber ging von ihr, er verließ sie für
immer nach all den Jahren, die sie auf ihn
gewartet hatte.
Ihr Erich war es, der ihren Kummer
verstand und linderte. An seinem Herzen
war ihre Zuflucht; da innen, das wußte
sie, brannte für sie eine ewige Lampe. Er
war kein berühmter Forschungsreisender
geworden, die Zeiten der großen Abenteuer
seien auch vorüber, meinte er, und in den
Kolonien lebe sich's jetzt wie überall, wo
die Gesellschaft sich spreizt und klatscht.
Aber er zeichnete sich in seinem Berufe aus
und war ein Mann, der mit Ehren um ihre
Hand werben konnte. Immer wieder sagte
er ihr: „Du bist mein Wegweiser und
Scheinwerfer. Was ich jemals werden
kann, ist dein Werk. Mein Bestes hab' ich
von dir."
Sie selber hatte es von einem anderen.
Endlich verstand sie auch, warum der
Leben lang fuhr sie fort, an ihn zu denken.
Als ihre Tochter heranwuchs, erzählte sie
ihr von dem strahlenden Helden, den sie
geliebt hatte und der im Schmerz von ihr
gegangen war. Und das kleine Mädchen
saß nun tagelang und dachte an den strah-
lenden Helden, und wie sie ihn geliebt
hätte, wenn er ihr statt ihrer Mutter be-
gegnet wäre.
Der schlief schon lange unter seinem
steinernen Ehrenmal.
Aber strahlende Helden können immer
wieder einmal aufstehen und die Herzen
kleiner Mädchen an sich nehmen. —
230 Isolde Kurz: Der strahlende Held
„Weißt du, kleines Mädchen, daß dieser „W ie ich dich liebe! So kann ein jun-
alte Onkel dich einmal sein Vräutchen ge- ger Mann ja gar nicht lieben. Ich liebe
nannt hat?"
„Und weißt du, strahlender Held, daß
das kleine Mädchen all die Jahre auf dich
gewartet hat?"
Es war gesprochen, ehe sie es dachte;
woher sie den Mut genommen, wußte sie
später selber nicht.
„Du — du? Es ist nicht möglich!" Er
sah sie mit unaussprechlichem Entzücken an,
drückte ihren Kopf an seine Brust, küßte
ihre Haare, ihre Stirne wieder und wie-
der. Ihren Mund, den küßte er nicht.
Dann schob er sie von sich. Tränen
standen in seinen Augen, in den Augen,
die unbewegt in so viele Schrecken geblickt
hatten.
„Und jetzt ist das Leben ausqelebt, und
ich bin alt!"
„Nicht alt! Nicht alt!" jauchzte sie voll
Wonne, daß sie ihm, dem Großen, etwas
zu vergeben hatte.
„Da, sieh her! Was wolltest du mit
diesen weißen Haaren, du junge Göttin?"
„Das macht nichts. Diese weißen Haare
gefallen mir besser als die braunen der
Jugend. Sie kommen ja nur von den
Kämpfen und den Strapazen."
„Es sind nicht die weißen Haare allein,
du gutes Kind, aber das verstehst du nicht.
Wenn ich doch einen Sohn hätte, den ich
dir geben könnte."
„Nicht! Nicht! Ich will keinen jungen,
ich will dein Alter, ich will dich selbst, du
strahlender Held."
„Kind, Kind, es ist zu spät für mich,
es kann nicht sein."
Siefuhrfortzuflehen: „Verlaßmich nicht.
Ich sehe nur dich allein in der ganzen Welt, andere von ihr gehen mußte. Aber ihr
hab' nie einen anderen gesehen von meinen
frühesten Jahren an. Mit dir will ich
sein, an deinen Gefahren will ich teilhaben,
in deinem Zelt, wo du mich schützen wirst,
will ich leben. Was braucht's der Jugend ?
Ich habe sie ja, ich teile sie mit dir — ein
Stück für dich, ein Stück für mich, so wird
es schon recht sein. Du darfst nur wol-
len, so sind wir das glücklichste Paar auf
Erden."
Je glühender sie flehte, desto schmerz-
licher erkannte er, daß er sie lassen mußte.
„Du liebst mich also nicht," sagte sie am
Ende verzweifelt.