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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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5. Heft
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Gohlke, Wilhelm: Nichtmetallische Geschützrohre
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0162

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142

W. GOHLKE, NICHTMETALLISCHE GESCHÜTZROHRE

V. BAND

einfüllte und das, sobald das Pulver angezündet
wurde, seinen Inhalt mit solcher Heftigkeit und
mit solchem Geräusch ausstiefs, dafs man es
150 Schritt weit hörte. Dem Geschofs ging eine
heftige Flamme voraus,
Die Madfa war aus Holz gedrechselt und
hatte einen Stiel. Die Seele war von hinten nach
vorn allmählig erweitert und ebenso lang als
breit. Das staubförmige Pulver war eine Mischung
von 10Teilen Salpeter, 2 Teilen Kohle und i1/2 Teil
Schwefel. Die Ladung füllte ein Drittel der Seele
und wurde festgestampft. Das Geschofs hatte
einen gröfseren Durchmesser als die Seele; es
mufste deshalb auf dieMündung aufgesetzt werden,
hinter demselben befand sich also ein leerer Raum,
Das Geschofs wird wie die Armbrustkugel jener
Zeit aus Ton, Glas oder Metall bestanden haben.
Aus den genannten beiden Geschützarten
entwickelten sich Holzrohre, die abwechselnd mit
Ausstofsladungen von Pulver und Brandkugeln
gefüllt waren. Sie waren schon den Oströmern
bekannt und wurden wahrscheinlich schon in der
zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts in Westeuropa
verwertet.
Diese sogenannte Römerkerze oder Bom-
benröhre (Fig. 2), noch heute in der Luftfeuer-
1
13!


Fig..2.
Nach Viollet le Duc.
werkerei angewandt, beschreibt Biringuccio (Pi-
rotechnica, Venedig 1540) genau wie folgt:

Man spaltet ein anderthalb Klafter langes
zylindrisches ITolzstück der Länge nach, höhlt
zwei Halbzylinder aus und füttert sie mit dünnen
schmiedeeisernen Platten in Form von Rinnen,
vereinigt dann die beiden Stücke und umwickelt
sie mit Eisendraht. So entsteht also eine Eisen-
röhre in Holzhülle. Dieses Rohr ladet man zuerst
mit einer vier Finger dicken Pulverschicht, auf
welche eine aus Werg oder Hader geformte Kugel
gelegt wird; dann folgt wieder eine vier Finger
dicke Schicht groben Pulvers, das mit griechischem
Pech, gestofsenem Glase, Salz, Salpeter und Eisen-
feilspänen gemischt ist, darüber schüttet man
zwei Finger hoch feinen Pulvers, legt wieder eine
Wergkugel ein und fährt so fort, bis die Mün-
dung erreicht ist. Wenn man die Waffe ge-
brauchen will, so wird sie von der Mündung aus
entzündet.
Aus dieser Römerkerze ging wiederum die
früheste Feuerwaffe, die Handkanone, hervor,
indem man erstere für den Einzelschufs einrich-
tete, aus der Madfa aber der Wurf kessel. Beider
Material bestand wohl zunächst aus Holz, das
bei gröfserem Kaliber in Daubenform zusammen-
gefügt wurde, wie sie sich uns in den ältesten,
noch erhaltenen Rohren zeigen, wo man das
wenig widerstandsfähige Holz durch Eisendauben
ersetzte.
Nach Biringuccio (1540) wird die Holzkanone,
wie folgt angefertigt: „Man nimmt weifses trockenes
Nutzholz von drei Klafter Länge und faustgrofsem
Durchmesser; dieses Holz rundet man ab, so dafs
es oben etwas dünner als unten ist, sägt es von
oben bis unten durch und höhlt es bis auf vier
Finger breit vom Fufsende aus, Dann füttert
man beide Halbzylinder mit Blech von lombar-
dischen Eisen und zwar so, dafs das Eisen unten
in Form einer Pyramide endet, und von hier führt
man einen kleinen Kanal von innen nach aufsen,
der dazu dient, Feuer an die Ladung zu legen.
Nachdem nun die Plalbzylinder wieder zusammen-
gefügt und sehr gut geleimt worden sind, legt
man drei dicke Eisenringe um die Mitte und je
einen um Kopf und Fufs. Nachher läfst man
Steinkugeln machen und schiefst damit.“
Diese ältesten Holzgeschütze sind uns nicht
erhalten geblieben, doch erwähnt sie Petrarca
in seinem Werke De remediis utriusque fortunae
um 1340, als das Instrument, aus dem man unter
Donner und Blitz metallene Eicheln schofs.
Hauptmann Meyer in seiner Geschichte der
Feuerwaffen-Technik, 1835, gibt unter dem Jahr
1366, leider ohne Angabe seiner Quelle, die Nach-
richt: „Man hatte hölzerne Kanonen.“
Auf einer Vignette, die aus der zweiten
Plälfte des 15. Jahrhunderts stammt, sind Krieger
 
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