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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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6. Heft
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Forrer, Robert: Neues Studienmaterial zur mittelalterlichen Bewaffnung, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0184

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164

R. FORRER, NEUES STUDIENMATERIAL ZUR MITTELALTERLICHEN BEWAFFNUNG V. BAND

das Kriegshandwerk zugeschnitten, zum Schutz
gegen Rost geschwärzt, d. h. mit schwarzer Öl-
farbe vollständig gedeckt.
Sehr interessant und praktisch ausgestältet
ist das Zündloch, denn man hat es rechts oben
am hinteren Ende der Seele zu einem rundkessel-
artigen Becken ausgeweitet, so dafs das Aufschütt-
pulver darin wie in Abrahams Schoofs aufgehoben
war, nicht wie bei den ältern Hakenbüchsen jede
unvorsichtige Bewegung es verschütten, kein Wind
es verwehen konnte und sogar das Aufsetzen eines
Pfropfen möglich war, der Zündpulver und La-
dung vor Regen schützen konnte.
Links neben dem Zündloch, genau auf dem
Scheitel desRohres,isteinetiefeWaffenschtniede-
marke eingeschlagen. Sie zeigt in rundem Kreise
ein Kreuz, in welches anscheinend ein B einge-
setzt ist, wie ich das in Fig. 2a veranschauliche.


2 b.
Querschnitt beim Zündloch.
Die gleiche Marke habe ich weder bei Demmin
noch bei Boeheim noch in meinem Werke über
die Schwerter und Schwertknäufe der Sammlung
Carl von Schwerzenbach gefunden; aber die
nächstverwandten Marken finden sich dort unter den
schweizerischen, und da die Provenienz.des Rohres
das östliche Bodenseeufer ist, so liegt an eine
schweizerische Fabrik zu denken doppelt nahe.
Hinter der Marke sitzt quer eine längliche
Vertiefung, in welche ersichtlich eine Visier-
scheibe eingesetzt worden war. Diese fehlt aber
und es ist nicht sicher, ob sie schon von Anfang
an dem Rohr zugedacht war. Darin wird man
bestärkt, wenn man sieht, dafs auf der Mündung
eine Mücke, oder Ansätze dazu, fehlen, eine solche
anscheinend also ursprünglich ebenfalls nicht vor-
handen war.
Uns interessiert jetzt aber besonders der Griff
des Rohres, ein 59 cm langer „eiserner Schwanz“,
der in seiner Schweifung ganz an die Lafetten-
schwänze der Kanonen des 16. Jahrhunderts er-
innert und also besonders geeignet war, diesen
Rohren jenen Namen zu sichern: eine sehr starke,
10 bis 11 mm dicke und bis 5 cm breite Eisen-
schiene, die hinten an das Rohr angeschweifst
ist, allmählich sich nach unten in der Breite ver-
schmälert und schliefslich, in der Dicke leicht ver-
stärkt (12 mm), in eine abgerundete Spitze endet.

Auf der rechten Seite der Schiene sieht man
zwei nicht durchgehende Löcher, die anscheinend
in der Schiene schon waren, als man sie zum Rohr ver-
wendete, mit diesem selbst also in keinem engeren
Zusammenhang stehen. Man hätte sonst annehmen
können, die Schiene sei beiderseits noch mit je einer
abgerundeten FI olz schiene verkleidet gewesen. An-
dere Anhaltspunkte liegen aber für eine solche Holz-
verschalung nicht vor und sie hätte auch wenig
Vorteile geboten. Auch die eingangs erwähnten
zwei anderen Formen von Hakenbüchsen mit Eisen-
griffen zeigen, dafs man den Flolzgriff nicht un-
bedingt benötigte, und den Ausschlag gibt zum
Überflufs eben die Fassung des Dresdener Inven-
tars: „mit eysen schwentzen“.
Dafs man aber diese eiserne Verlängerung
des Rohres wirklich schon in alter Zeit als
»,Schwanz“ bezeichnet hat, geht unwiderleglich
aus der Bezeichnung „Schwanzschraube“ her-
vor, wie sie in der von Mews in dieser Zeitschrift
S. 31 beigebrachten Essener Urkunde von 1695
gebraucht wird für den meist kurzen eisernen
Ansatz, der vom 16. Jahrhundert ab am Hinter-
teil des Laufes angeschmiedet und an Gewehren
wie Pistolen mit dem Holzgriff durch eine Schraube
verbunden zu werden pflegte. Hieristder „Schwanz“
also nur eine Verkürzung des langen Eisen-
griffes, wie ihn mein Rohr des 15. Jahr-
hunderts bildet.
Was das genauere Alter dieses eigenartigen
Eisenrohres anbetrifft, so liegt es wohl zwischen
1480 und 1500. Es ist also eher später als die
eingangs besprochenen anzusetzen. Darauf deutet
das rechtsseitig sitzende Zündloch und die Form
desR.ohres, die auffallend an die der maximilia-
nischen eisernen Hakenbüchsen von 1500—1510
des Codex 222 der Münchener Kgl. Flof-und Staats-
bibliothek erinnert (Essenwein„Quellen“ Taf.B.IX)
ebenso die Art der Marke, die gerade in dieser
Zeit an Stangen waffen in verwandter Form
häufig wird.
Vom Knall- und Feuereffekt
Ich habe oben gesagt1) und schon früher an
anderer Stelle angedeutet2), dafs wir Menschen
von heute im allgemeinen die ersten Feuer-
geschütze zu sehr mit dem Mafsstabe messen,
den wir gewohnt sind, an unsere Schufswaffen
von heute anzulegen. Ich möchte hier nur einige
') Forrer, Ein gotisches Bronzefaustrohr im Museum
zu Metz (Band V dieser Zeitschrift, Seite 42 u. ff.) und
Archäologisches und Technisches zu der byzantinischen
Feuerwaffe des Cod. vat. 1605 Vom 11. Jahrhundert (Band V
dieser Zeitschrift Seite 115 u. ff.).
2) Historische Einleitung zum „Katalog der Ausstellung
von Waffen und Militär-Kostümen“ I. Teil, Strafsburg 1903.
 
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