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Verein für Historische Waffenkunde [Hrsg.]
Zeitschrift für historische Waffen- und Kostümkunde: Organ des Vereins für Historische Waffenkunde — 5.1909-1911

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11. Heft
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Fachnotizen
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https://doi.org/10.11588/diglit.39947#0396

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11. HEFT

FACHNOTIZEN

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FACHNOTIZEN

Hölzerne Geschützrohre. Im Anschlufs an
den von W. Gohlke in Heft 5 des V. Bandes
dieser Zeitschrift gebrachten Aufsatz über nicht-
metallische Geschützrohre bringe ich zur Vervoll-
ständigung des dort angeführten reichen Materials
die hier abgebildete Zeichnung, welche in einem
dem Kurfürst Johann Georg I. zu Sachsen ge-
widmeten, mit illuminierten Zeichnungen ver-
sehenen „Manual“ enthalten ist. Die kleine Hand-
schrift ist nach dem Titelblatt im Jahre 1620, also
in den Zeitläufen des dreifsigjährigen Krieges,
gefertigt. Der Name des Verfassers, der übrigens
eine recht geschickte Hand zur Anfertigung kleiner
Aquarelle, sowie einigen Geschmack in der Farben-
zusammenstellung besafs, ist leider durch die Zer-
störungswut eines wissenschaftlich gänzlich unge-
bildeten Bücherwurms so beschädigt, dafs nur der
Vorname Melchior lesbar blieb, während ich die
Reste des Familiennamens als „Thomas“ enträtseln
möchte. Vielleicht stand der Verfasser als
Feuerwerkskünstler, Büchsenmeister oder der-
gleichen im Dienste des genannten Fürsten, den er
in der auf dem Titelblatt in reicher Umrahmung
enthaltenen Zueignung als seinen gnädigsten
Herrn bezeichnet.


Die Abbildung ist dem Blatt 39 des Manu-
skripts entnommen und führt uns ein aus 3 Holz-
rohren gefertigtes Hagelgeschütz vor. Eine kurze
Erläuterung sagt dazu: „Ein sonderbahren hultzern
Hagell Geschüz, Welches denn Hagell sehr weit
von sich wirfft undt solches eine geraume Zeit
treibt, wirdt in Sturmens nöthen sehr nützlichen
von den Defensorn gebraucht“. Die Perspektive
ist zwar in der Zeichnung etwas zu kurz ge-
kommen, doch genügt sie zum Verständnis des
Geschützes vollkommen. Wir sehen drei hölzerne
Rohre, deren Wände durch je drei eiserne Bänder
zusammengehalten werden, nebeneinander auf
einer aus Holzbohlen und reifenlosen Blockrädern
kunstlos konstruierten Lafette gelagert. Die

Rohre werden zu gleicher Zeit abgefeuert und
werfen den aus Eisenstücken bestehenden „Hagel“,
der die Reihen des stürmenden Angreifers zu
lichten bestimmt ist. Aus diesem gleichzeitigen
Abfeuern scheint mir hervorzugehen, dafs das
Geschütz nicht zum Geschwindschiefsen, d. h. zur
Beschleunigung des Feuers etwa im Sinne
unserer mehrläufigen Revolverkanonen, bestimmt
ist, sondern der Konstrukteur bediente sich wohl
der drei Rohre aus dem Grunde, um dem Gegner
im kritischen Augenblick eine recht kräftige
Portion Eisen anbieten zu können, also zur Ver-
stärkung des Feuers; ein Holzrohr besafs zu
geringe Haltbarkeit, um einen recht wirkungs-
vollen Hagel zu werfen.
Die Art der Entzündung ist aus der Dar-
stellung nicht ersichtlich; Zündlöcher oder Zünd-
stollen sind nicht eingezeichnet. Wenn man also
nicht etwa eine Nachlässigkeit des sonst peinlichen
Zeichners annehmen will, dürfte wohl der Schlufs
nicht so ganz ungerechtfertigt erscheinen, dafs
diese Rohre von der Mündung aus durch Zünd-
faden, ähnlich wie eine Mine, zur Entzündung
gebracht werden sollten, was ja auch gewifs zur
Schonung des eigenen Lebens angesichts des
wenig zuverlässigen Rohrmaterials sehr zweck-
mäfsig sein würde.
Ob sich nun die Konstruktionsidee des Ver-
fassers jemals verwirklicht hat oder ob sie das
Schicksal so vieler anderer phantasievoller Ent-
würfe der erfindungsreichen alten Artillerie-
künstler, die lediglich auf dem Papier blieben,
teilte, lasse ich dahingestellt. Auf jeden Fall
scheint mir die Zeichnung ein ganz interessanter
Beitrag zur Entwicklungsgeschichte der Artillerie
und daher der Veröffentlichung wert zu sein.
Major Sterzei, Metz.
Ein Knalldämpfer im 17. Jahrhundert. Johann
Joachim Becher, der Sohn eines Pfarrers aus
Speier, ein im 17. Jahrhundert vielgelesener Schrift-
steller, kam später in V erruf, weil die Eigenart und die
Menge der von ihm geäufserten Ideen so garnicht
in den ruhigen Gedankengang des bezopften
Gelehrtentumes des 18. Jahrhunderts passen wollte.
Erst den neueren Bestrebungen zur Erforschung
der Geschichte der Naturwissenschaften, besonders
der Geschichte der Chemie, ist es zu danken, dafs
man sich die Werke von Becher näher ansah.
Wir lernten in ihm einen zwar unruhigen aber
äuferst vielseitigen und fruchtbaren Geist kennen.
So berichtet er z. B. schon von der Brauchbarkeit
des Gases zur Beleuchtung, von der Nutzbarkeit
des Torfes, von der Spritfabrikation aus Kar-
toffeln und von vielen andern erst weit später
verwirklichten Ideen.

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