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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Relling, J.: Die große Berliner Kunstausstellung 1894, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0356

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Die grosze Berliner krunstau^stellung 1894.

von llr. Rolling (Berlin).

re die Tageszeitungen mitteilen, wurde am Himmel-
fahrtstage die große Berliner Kunstausstellung
durch einen Festaktus eröffnet, der nach einigen Berichten
N/z, nach andern doch 2 Minuten gedauert hatte. Weitere
Kreise als sonst wurden diesmal bei der Verteilung
der Einladungskarten berücksichtigt, zahlungsfähige In-
serenten der großen Blätter, bewährte Freunde der
Modelle, einflußreiche Zeitungsfrauen sollen bedacht
worden sein. Über die ganze Stadt wurden die in diesem
Jahre weniger begehrten Karten ausgestreut, nur in die
bescheidene Klause ihres Berichterstatters flatterte keines
der Blättchen. Macht nichts, ich bin im Gegenteil froh,
über diese Ausstellung als gewöhnlicher Abonnent und
nicht als Gast der Aussteller erzählen zu können. Denn die
genossene Gastfreundschaft, und wenn sie nur 2 Minuten in
Anspruch genommen wurde, legt die Verpflichtung des
Dankes auf, den zu entrichten diesmal schwer fällt. Von
allen Ausstellungen, die ich je und irgendwo gesehen habe,
ist die diesjährige Berliner die unerquicklichste. Es kann
sich ihrer keiner freuen, und auch die hämische Berliner
Presse, die im vorigen Jahre so polternd über die Mün-
chener Secessionisten loszog, giebt die ertötende Lang-
weiligkeit der diesjährigen Kunstschau zu, der jedes Pikante
Moment fehlt. Wer sich damals mit den professions-
mäßigen Zeitungstadlern herumzankte, der kann jetzt
schadenfroh darauf Hinweisen, daß die diesjährige Aus-
stellung genau so ist, wie sie die Herren im vorigen
Jahr herbeigesehnt haben, und wenn sie nicht nach Wunsch
ausgefallen ist, so dürfen sich die zuletzt darüber beklagen,
die uns damals mit Äußerungen eifernder Unzufrieden-
heit lästig gefallen sind.

Die Berichterstattung über die Ausstellung wird bei
ihrer Beschaffenheit mehr als in andern Jahren als ein
freudloser Beruf empfunden. Jedenfalls muß mit klein-
stem Maß gemessen werden. Wie man in Gesellschaft
von Durchschnittsmenschen nicht gescheider wird, so wird
das schärfste Urteilsvermögen abgeschwächt im steten Um-
gang mit Kunstwerken, die auch schon mit mittelmäßigen
Augen als minderwertig zu erkennen sind. Wenn ich
versuche, das Wenige heraus zu heben, was mir der
Beachtung wert schien, so ist dabei immer an das all-
gemeine niedrigere Niveau dieses Jahres zu erinnern
und bei der ausgesprochenen Anerkennung zu bedenken,
daß sie nur das Maß ausdrückt, um das das so gelobte
Bild über die Umgebung herausragt, in der es hier er-
scheint. Man wird in dieser Ausstellung milde bis zur
Ungerechtigkeit.

Berliner Kunst lehrt uns die Ausstellung kennen.
Tenn was in diesem Jahre von auswärts eingeschickt
wurde, ist zu wenig, um die allgemeine Signatur
trostloser Berliner Ödigkeit ändern zu können. Einige
Körnchen Salz wollen in einem Ricsentopfe gänzlich
ungewürzter fader Speise wenig besagen. Meine
Meinung über die Berliner Kunst habe ich in so und
soviel früheren Berichten zur Genüge und wohl mehr
als das dargethan. Es ist schwer, kurzweilig zu schreiben,
wenn man sich gerade über Berliner Kunst zu äußern
hat. Ich kann nur wiederholen, was schon so oft über

die Hiesigen gesagt wurde: tüchtige Durchschnittsleistungen
bei sehr geringer Individualisierung, bequemes Weiter-
gehen auf breit getretenen Wegen, dünkelhafte Überhebung
bei jährlich geminderter Selbständigkeit, künstlerische Haus-
mannskost, Herdenkunst. Über der breiten Masse gleich-
mäßiger Tüchtigkeit ein Paar Spitzen — die haben aber
natürlich nicht ausgestellt.

Im Ehrensaal sind neben Porträts von Fürstlich-
keiten und Staatswürdenträgern wieder solche Bilder
vereinigt, die man seltsamer Weise patriotische Bilder
nennt. Man versteht darunter solche, die Gegenstände
aus der brandenburgisch-preußischen Vergangenheit, na-
türlich in Heinrich von Treitschkes verklärender Geschichts-
auffassung zur Darstellung bringen oder irgend etwas
Näheres oder Weiteres mit Preußen zu thun haben.
Warum man solche Bilder patriotisch nennt, ist freilich nicht
recht ersichtlich. Da aber in unserer Zeit die Begriffe über
das, was den Patriotismus ausmacht, betrüblicher Weise
sehr schwankend und verwirrt find, so daß z. B. ein
verzopfter Gelehrter, der den sogenannten wissenschaft-
lichen Beweis dafür brachte, daß der ursprüngliche Sitz
Apollos und der Musen am grünen Strand der Spree
zu suchen sei, für einen Patrioten, und wer das nicht
glaubt, für einen Vaterlandsverräter gehalten wird, so
müssen wir auch in der Kunst an dem eingeführten
Begriff festhalten. Da lockt es, da in der Ausstellung
sonst so wenig lockt, einmal von diesem patriotischen
Standpunkt aus Bilder zu betrachten. Zu wirklichem
vaterländischen Empfinden erwärmt das schöne Bild von
Robert Hang: „Am Rhein". Der Vortrab der
Blücherschen Armee beim Vormarsche nach Frankreich er-
blickt von einer Höhe den Rhein, der als glänzendes
Band in der Ebene erscheint. Das ist ein gutes
Stimmungsbild aus ruhmreicher Zeit, ohne verletzende
Blutschinderei und aufs beste gemalt. Haug aber ist
Stuttgarter. Wie man in Berlin Szenen aus den
Freiheitskriegen auffaßt, zeigt das Bild von Rudolf
Eichstädt: Blücher, der nach der Schlacht bei Waterloo
sich über den ihm überbrachten Hut Napoleons besondere
Gedanken macht. In dem Gemälde ist ein erheblicher
Fortschritt des talentvollen Künstlers zu erkennen.
Georg Bleibtreus Skizze mit irgend einer herz-
lich uninteressanten Szene aus einer Schlacht des
großen Kurfürsten ist in der üblichen Weise des verstor-
benen Schlachtenmalers komponiert. Hier mag auch das
in einem der letzten Säle hängende Bild von Otto
Brausewetter Erwähnung finden: „Die Erhebung der
Provinz Preußen gegen Napoleon 1813". Da sich eine
Erhebung so wenig malen läßt, wie Blüchers Gedanken
über einen Hut, so wurde ein Moment der Erhebung
gewählt, die Ansprache des Generals von Jork an die
ostpreußischen Stände. Man sieht es der gemalten Ver-
sammlung an, daß zündende Worte gesprochen sind, die
die Hörer zu tapferen Entschlüssen drängen, was sich im
Bilde in Händeringen und Armschwingen erkennbar macht.
Nun waren ja unsere Vorfahren bei gesteigertem Em-
pfinden leichter geneigt, in heftigen Gesten ihrer Be-
geisterung Ausdruck zu geben, als das jetzt üblich ist. Aber
 
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