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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Relling, J.: Die Ausstellung der "XI"
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Personal- und Ateliernachrichten - Ausstellungen und Sammlungen - Vermischtes - Preisausschreiben
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https://doi.org/10.11588/diglit.11970#0260

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Die Ausstellung der „XI". von vr. Relling. — Personal und Ateliernachrichten.

bescheiden. Aber ich fürchte, hier haben noch andere Ein-
flüsse und Erwägungen eine Rolle gespielt. Von allen
Elfern scheint Vogel jetzt am meisten Neigung zu haben,
sich zum Kompromiß-Schulzen auszubilden.

Noch drei muß ich nennen, es ist die allbewährte
Trinität der Elf. Zunächst Franz Skarbina. Das
moderne Weib kennt er, wie kein zweiter. Er zeigt es
uns so prickelnd, so nervös, so leicht angefäult von
einer lasterhaften Umgebung, wie in einer Novelle von
Guy de Maupassant. Da ist ein großes Bild, eine
Dame, die aus dem Wagen gestiegen ist, um zu prome-
nieren. Wie ist das gemalt, der feine schwarze Schleier
über dem blassen Gesichtchen, und vorn auf dem dunkel-
grünen Kleid die spielenden Schatten, die die feinsten
Uebergänge von Schwarz zur Kleidfarbe zeigen, und
mit welcher Sicherheit ist die Bewegung der vorwärts-
schreitenden Figur gezeichnet. Ein anderes Bild stellt
eine Dame mit langem schmalen Gesicht in hellviolettem
Kleid im Grünen stehend dar. Hier giebt Skarbina die
ganzen Feinheiten seines Kolorits. Die vortreffliche
„Dezembersonne", eine höchst pikante Winterlandschaft,
hängt leider sehr hoch. Fremdartig wirkt die Supraporte,
ein nacktes Weib in halber Figur, blumenbindcnd, hinten
ein bläuliches Wasser. Das klingt leicht an die Prä-
raphaeliten an. Dauernd aber wird Skarbina sicher nicht
in ihrem Banne bleiben. Er ist eine zu kräftige und fest
umschlossene Individualität, um so leichthin seine schwer
errungene besondere Art aufzugeben. Mein besonderer
Liebling Ludwig von Hofmann ist wieder entzückend.
Er ist auch glücklicherweise nicht zahmer geworden,
wie seine Versuchung auf der Symbolisten-Ausstellung ver-
muten ließ. Hier, wo uns die reiche Ausbeute eines fleißigen
Jahres vor Augen steht, erkennen wir die unverdorbene
treffliche Rasse. Er erzählt wieder die alten zauberhaften
Märchen, und er bringt sie uns anschaulicher zu Gemüt
als früher. Ueberall ein hochgestimmtes Empfinden und
ein so gesundes, weil naives Farbengefühl. Man hat
mir den Ausdruck der lustkreischenden Farben so verargt,
den ich im vorigen Jahr an dieser Stelle brauchte. Ich
weiß auch heute nichts Besseres zu sagen und muß mir
den Spott auch weiterhin gefallen lassen. So oft schon
habe ich meiner Freude über Hofmanns Bilder Ausdruck
gegeben, daß mir neue Gedanken über ihn nicht mehr
kommen. Nur die zwei Bilder möchte ich erwähnen, die
mir am besten gefallen haben: die eine kleine Landschaft
und der wunderbare Bogenschütze.

Max Liebermann ist der einsamste unter den
Elf; einsam, weil er am höchsten steht. Er ist ihr Führer
und wird auch neidlos als solcher anerkannt. Drei Oel-
bilder: der Kurpark in Wiesbaden, die Allee in Rosen-
heim und ein bayrischer Biergarten, alle drei nicht zwar
von den grandiosen Wucht der Netzflickerinnen oder der
Alten mit der Ziege, sondern von intimerer Wirkung,
liebevoll gemacht und darum so anheimelnd. Von den
drei Pastellporträts möchte ich die der beiden Herren be-
sonders rühmen, sie sind farblos mit nur geringem
Farbenzusatz, in den Augen z. B. Das Bildnis des
Professors Röse, des Direktors der Reichsdruckerei, ist
von sprechender Aehnlichkeit, nur giebt es, vielleicht in
neckischer Absicht, die posierte Stellung des zum Gemalt-
werden sich Hinsetzenden, zu deutlich wieder. Das andere
stellt den Dichter Grisebach dar.

Für die »XI» bedeutet ihre diesmalige Ausstellung

einen großen Erfolg. Das Gewäsch in den Zeitungen
kann daran nichts ändern. Und doch kann ich die frohe
Zuversicht, mit der die Freunde und Anhänger der »XI«
und überhaupt der Modernen, in die Kunstzukunft Ber-
lins blicken, nicht teilen. Ich habe die bange Sorge,
daß das Ende des goldenen Zeitalters der modernen
Kunst nahe bevorstehe.

-s. Berlin. Alexander Schmidt-Michelsen, der
Landschafter, der, in Jettels Schule, zehn Jahre zu Paris den
Einflüssen von Fontainebleau nachging und sich jetzt dauernd
in Berlin niedergelassen, ist während des letzten Sommers,
zusammen mit Skarbina, im freundlichen Valmondroit gewesen
und hat zunächst, ein alter Eleve der Ecole Julien, dort allerlei
Aktstudien im Freien gemacht. Als eigentlichen Gewinn aber
trug er feine Landschaftsmotive heim, die eine gute Empfindung
für lieblich-ernste Gegenden verraten. Schmidt-Michelsen geht
nicht auf die neueren Probleme der Farbigkeit aus. In seiner
Arbeit waltet eine entschiedene, kühle Sachlichkeit, doch in der
Auswahl verrät sich eine bestimmte persönliche Neigung. Es sind
alles klare, geschlossene Beobachtungen einer ländlich-bäuerlichen
Wirklichkeit, die zu vertraulichem Verkehre recht eigentlich cin-
ladet. Wald, Hügel, Acker, Obstgarten, Dörfliches — das hat er
licbgewonnen, bevor er den Pinsel ansetzte, es zu malen. Ein
Herbstbild, das den Forst im kalten Glanze des Abendlichtes
zeigt, blickt mit sanfter Wehmut den Betrachtenden an. Oder das
Schweigen der Natur: Ein dichter, grüner Winkel, wo einsam
ein stilles Wasser ruht und das Licht des Tages nur spärlich
hingelangt. le«4il

— München. Der Akademieprofessor Wilh. v. Linden-
sch mit ist für seine Person als Ritter des Verdienstordens der
daher. Krone der Adelsmatrikel einverleibt worden. Wosi

— Berlin. In der Angelegenheit des Bildhauers Tobe-
rentz ist kürzlich vom Amtsgericht bezüglich der erfolgten Aus-
schlietzung aus dem Verein Berliner Künstler, die Toberentz
gerichtlich angefochten hatte, entschieden worden, daß die Aus-
schließung unrechtmäßig erfolgt und Toberentz wieder in die Mit-
gliedschaft einzusetzen sei. Mott

* Max Klinger hat in den letzten Monaten wieder einige
entscheidende Erfolge davongetragen. Nachdem erst im vorigen
Jahre zum erstenmale ein Gemälde in eine öffentliche Kunst-
sammlung übergegangen war — nämlich die „Pieta" in die kgl.
Gemäldegalerie zu Dresden — hat vor kurzem der Rat zu Leipzig,
Klingers Vaterstadt, beschlossen, dessen erstes Bildwerk, „Die
moderne Salome", in farbigem und bemaltem Marmor, aus
Mitteln der Petschke-Stiftung, für das städtische Museum zu
Leipzig anzukaufen. Als moderne Salome bezeichnet der Künstler
eine weibliche Halbfigur, in der er die frivole Herzlosigkeit, sozu-
sagen die typische Verkörperung des Jenseits von Gut und Böse
in einem weiblichen Wesen mit schneidender Schärse dargestellt
hat. Erhöht wird der Ausdruck dieser, von Klinger selbst ge-
meißelten Figur, durch die Köpfe zweier Opfer, eines geilen
alten Wollüstlings und eines schwärmerischen^Jünglings, die
seitlich am Gewände der modernen Salome angebracht sind. Die
grausige Charakteristik des Werkes ist durch die Farbe noch be-
deutend gehoben. Auch den Gipsabguß des ursprünglichen Ent-
wurfs hat der Künstler in eigenartiger Weise bemalt. Dieser
Gipsabguß wird wahrscheinlich in den Besitz der kgl. Skulpturen-
sammlung in Dresden übergehen. Die Verhandlungen sind dem
Abschlüsse nahe. psich

— London. Edward Burne - Iones ist die Baronet-
würde verliehen worden, die zugleich auch G. F. Watts zu teil
werden sollte, von ihm aber zum zweitenmale abgelehnt wurde.

* Dresden. Prof. Franz von Lcnkach hat nach dem
Bildnisse für das städtische Museum in Leipzig noch drei andere
Bildnisse des Königs Albert von Sachsen gemalt und zwar im
Aufträge des bekannten Hoteliers Rudols Sendig in Dresden
und Schandau, der sie als Hauptzierden der diesjährigen Schan-
dauer Kunstausstellung insgesamt dort zum erstenmale öffentlich
ausstellen will. Alle drei sind Brustbilder und mehr oder weniger
im Profil gegeben, wie schon das Leipziger Bild. Lenbach hat
 
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