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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 9.1893-1894

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Heilbut, Emil: Die Londoner Sommer-Ausstellung, [2]
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Z58

Die Londoner Sommer-Ausstellungen.

(Fortsetzung des Textes von Seite 355.)

über sie neigen sich tieffarbige, üppige Sommerblumen.
Leighton liebt es, seine das Klassische repräsentierenden
Schöpfungen, die in Rahmen von griechischer Architektur
eingeschlossen sind, mit so modernen Bildnissen wie Her-
komer sie malt, zu umgeben. Herkomers Männer-
bildnisse sind ja nicht so modern gemalt, wie mancher der

v.

Das Märchen „Von dem Fischer und synrr Fru".

von Rud. Geißler.

Jüngstaufgestandenen malt, aber sie geben vielleicht rück-
sichtsloser noch und unvermittelter, als die ganz modernen
Neuerer, den Charakter jener existierenden Menschen, die
in London in der City Großkaufleute sind oder im Par-
lament und in Verwaltungsposten sich auszeichnen. So-
wohl Herkomer wie auch Leighton gewinnen durch dieses
Nebeneinander; Herkomer sieht gesunder aus, Leightons
Idealismus und Poesie scheint berechtigt. Aber in seinem
klassischen Gebiete wird der große Leighton diesmal durch

das Kleingenre Alma Tademas geschlagen, der eine
besonders glückliche Arbeit ausgestellt hatte, eine junge
Römerin, im Profil gesehen, die, in den Strahlen der
untergehenden Sonne zart verschönert, auf das blaue
Meer und die fernen Hügelketten schaut.

Frith hat einen „llive o'clocR Res." gemalt, bei dem
einem Herrn die Nase erfriert, während er mit der Frau
vom Hause in einem interessanten Gespräche ist; ein aller-
liebstes Bild aus gleicher Sphäre ist eine junge Schön-
heit, von Leslie gemalt, die uns ansieht und uns Thee
anbietet. Im ganzen sind die Gesellschaftsszenen nicht
gut; sie können nicht in Vergleich kommen mit so gesunden
Landschaften, wie denen von Colin Hunter, von Hook,
von Pa rs ons; und in der Marine zeichnet sich wie stets
Henry Moore aus. Prachtvoll sind die Bildnisse von
Watts, sie stehen natürlich im stärksten Gegensätze zu
den realistischen Bildnissen, die, außer von Herkomer,
von Ouleß geboten sind und in einer etwas weicheren
Note von Orchardson. Bei Briton-Riviere wird
ein Ganymed in die Lüste gehoben, der bei diesem Flug
sein junges Leben schon auszuhauchen scheint (mit berech-
tigter britischer Eigentümlichkeit), ehe er noch zum Olymp
gelangt; ein brillantes Bild ist A. C. Gows Be-
grüßung der Kavaliere während der englischen Revolution,
deren Hauptführer soeben eine Proklamation verliest.

Es fehlte nicht an Historienbildern, es sind eher zu
viel. Sehr viele Historienbilder sah man, die nur zu
Maskeradenzwecken zu dienen schien, von Freunden
farbenreicher Kostüme, aber nicht von Historienmalern ge-
malt. Der Schwerpunkt der Ausstellung lag ini Porträt.
Doch die königliche Familie participierte nicht an diesem
Glanze. Schon bei der Fair Women-Ausstellung fiel es
auf, wie leider die uukünstlerischten Bilder der Ausstellung
diejenigen waren, die lebende Mitglieder des königlichen
Hauses darstellen sollten. Hier hörte die Kunst auf. Wie
merkwürdig! Konservativ müßten vor allem die fürst-
lichen Häuser sein; des Vergnügens, ihre Gesichter in
künstlerischer Weise dargestcllt zu sehen, wurden früher
die Fürsten nicht müde, die lebenden englischen Fürstlich-
keiten scheinen diesem Vergnügen aus dem Wege zu gehen.
In der Academy fand sich ein fürchterliches Bild, schlechter
als eine retouchierte Photographie, weil es ein Bild war,
das überhaupt aus nichts als Retouchen bestand, der
Prinzessin von Wales, von Luke Fild es gemalt. Es sah
wie ein Öldruck aus, doch wie ein solcher, von dem
vielleicht selbst die Wilden in Südamerika finden würden,
daß er etwas kunstlos sei. Man muß, da Luke Fildes
schon weit bessere Bilder gemalt hat, mit Bedauern an-
nehmen, daß an der Kunstlosigkeit dieses Bildes der
Maler unschuldig ist, denn die Mängel seiner Arbeit
korrespondierten zu ausfallend mit denen eines andern
Porträts derselben Prinzessin in der Grafton Gallery
von Richmond. Richmond hat schon wahrhaft vornehme
Porträts gemalt; bei dem Bilde der Prinzessin von
Wales strauchelte auch er, es sah wie von Blech aus, so
glatt und so schlecht, und dabei sieht die Prinzessin in
Wirklichkeit so aus, daß, wenn sie sich ähnlich malen
ließe, ihr Bild sehr schön werden würde.

In der neuesten Zeit ist man sehr böse auf die
Genremaler, sobald sie gleichzeitig Talent zum Erzählen
haben. Verbindet sich aber dieses Talent mit einem aus-
reichenden Talent fürs Malen, dann, scheint mir, ist das
Verbrechen ein solches, daß es in milde Erwägung ge-
 
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