Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929
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Van Gogh
malerische Elevation schwingt zum Absoluten hin.
Ein Rot insbesondere von kühner Selbständigkeit
und Verve springt immer wieder auf. In wenigen
Fällen nur hat man das Gefühl von Übersetzung,
sonst das Erlebnis unmittelbarer Phantasiegewalt,
die in orgelnde Musik verwandelt, was sie anrührt.
Am kostbarsten auch hier wieder einige berückende
Blumenaquarelle.
Bei Thannhauser ist Richard Seewald zu fin-
den. Ein im Handwerklichen liebloses, der Gesin-
nung nach kunstgewerbliches Bildermalen, das nur
auf die aparte Kurve, auf ein gewisses Stilisma be-
dacht ist und mit lauter Klischees operiert. See-
walds Entwicklung muß schwer enttäuschen. Ferner
macht sich hier unbegreiflicherweise der wüste Ge-
stikulateur und Knorkeplastiker Kurt Kroner
breit mit klumpig geballten Riesenköpfen von ver-
blüffender Porträtunähnlichkeit, mit barbarisch
zusammengeklaxten Leibern, die das Pathos einer
übergeschnapp ten Windmühle en tfal ten, mi t schwie-
ligen und fuchtelnden Gestalten, deren Aufbäu-
mung von ihrer Püree-Konsistenz Lügen gestraft
wird. Es blieb einem Gerhart Haup tmann Vorbehal-
ten, sicli für dies tolle Gesudel mit verkündendem
Wort einzusetzen.
Mit einer Weihnachtsmesse von Bildern und gra-
phischen Blättern junger Künstler hat die Mo-
Pont d’Austerlitz. Ca. 1887
Nicht hei De La Faille und doch echt
derne Galerie Wertheim die veranstalterische
Aktivität bewiesen, die hier mehrfach gerade vom
modernen Betrieb des Warenhauses in Kunstdin-
gen gefordert worden ist. Das Ergebnis ist, wie
auch der Verkauf sich angelassen haben mag, höchst
erfreulich. Von etwa fünfzig Ausstellern, zumeist
vollkommen unbekannten jungen Menschen, wei-
sen gut zwanzig ein eigenes Profil. Und hoffnungs-
los Verfehltes ist überhaupt nicht vorhanden. Im
Gegensatz zu der gähnenden Leere, die sonst in den
Kunstsalons leider anzutreffen ist, ein unaufhör-
liches Ilindurchströmen des Publikums. Es kommt
hier, alle Gleichgültigen eingerechnet, offensicht-
lich zu innigerer Berührung des Schaffens mit un-
vorbereiteten Betrachtern als irgend sonst im Aus-
stellungsleben. Wertheim sollte unbedingt den Ver-
such zur regelmäßigen Einrichtung erheben, andere
Warenhäuser sollten den Gedanken auf nehmen.
Um nur kurz die interessantesten Erscheinungen
zu benennen, die man im Auge behalten muß: der
visionäre, Bruegliel nahe Phantast Schamoni, dann
Alexander von Szpinger, der in einem spröd-pasto-
sen Vorfrühlingsstück den frühen Rohlfs weiter-
führt, Ploberger, Verist von äußerster Objektivität,
Bode mit einem kraus und leicht gesehenen Park-
blick, Hölscher mit einem graugrün schillernden
Vorstadtaspekt, Stübner, Trümper, Riester, Macke-
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