Einmal jedoch hat das Geschick dem kunstliebenden Kardinal einen der wahrhaft
Großen zugeführt. Mit dem Instinkt des geborenen Kunstfreundes hat er sich be-
müht, Tizian in seinen Dienst zu bekommen; noch ehe sie sich persönlich begegnet
waren, haben (1542) Verhandlungen darüber geschwebt1. Nicht besser hätte sich der
Maler bei dem Gönner einführen können, als durch das Bildnis von dessen jüngstem
Bruder Ranuccio, dem Priore di Venezia, das, nach den erhaltenen Kopien zu urteilen,
zu den glücklichsten unter seinen Porträts gehört haben muß". Nun lernten sie sich
kennen, in Bologna, wo der Papst Tizian zuerst saß; die Einladung nach Rom konnte
nicht ausbleiben und hier nun entstand unter den Augen des Farnese die Reihe jener
malerischen Meisterwerke, deren stolze Reste in der Galerie in Neapel zu einem ein-
zigartigen Saal vereint sind. Von Kardinal Alessandro hat er ein Brustbild gemalt, das
in mehrfachen Wiederholungen vorkommt (Abb. 2), und dann findet man seine etwas
glatten Züge auf jenem Bild des Papstes mit den Nepoten wieder (Abb. 3), das über
ein großes Kunstwerk zu einem historischen Monument von erster Ordnung hinaus-
gewachsen ist.
Verweilen wir einen Augenblick in der Betrachtung dieser Züge; man hat es nicht
leicht, in ihnen den Knaben wiederzufinden, obschon wiederum kein Zug darin ist, der
sich nicht durch den Ablauf der Zeit erklären ließe. Wie rasch hatte doch das Leben
den Knaben zum Manne reifen lassen, der, als er Tizian in Rom saß, erst 25 Jahre
zählte!
Wenn es allen Bemühungen nicht gelang, auch nicht durch das Versprechen des
Amtes des Piombatore der apostolischen Briefe als Nachfolger des Fra Sebastiano, Tizian
an Rom und an seine Person zu fesseln, so blieben sie doch in Beziehungen; noch
20 Jahre später sandte ihm der Maler eine Magdalena zu, wohl jenes Bild, das mit
dem farnesischen Familienbesitz nach Neapel gelangt ist.
Kardinal Alessandro hatte, und darin unterscheidet er sich wohl von keinem fürst-
lichen Amateur, eine Vorliebe für minutiöse künstlerische Arbeit. So mag es sich er-
klären, daß er zwei Künstlern seine besondere Neigung zuwandte, deren technisches
Geschick freilich jeder Kritik standhält: dem Steinschneider Giovanni da Castel Bo-
lognese und dem Miniaturmaler Giulio Clovio. Noch zeugen die erhaltenen Kunst-
werke für den Eifer der Künstler, dem Kardinal zu dienen und für dessen Mäcenaten-
tum: die Cassetta Farnese'3, das Wunderwerk des Florentiner Goldschmieds Manno, an-
gefertigt, um die sechs von Giovanni nach Zeichnungen Perinos del Vaga mit vollendeter
Kunst geschnittenen Kristalle zu fassen, und das von Vasari einer ausführlichen Be-
schreibung gewürdigte Stundenbuch mit 26 Miniaturen, in seiner Art auch ein Wunder-
werk und dem Kardinal so wert, daß er in seinem Testament ausdrücklich darüber
verfügte — das vor Jahrzehnten geheimnisvoll aus der farnesischen Bibliothek ver-
schwand, lange verschollen war und heute in der P. Morgan-Bibliothek in New York
bewahrt wird4. Giulio Clovio blieb des Kardinals engster Vertrauter; er hat ihn in
die vorübergehende Verbannung nach Florenz begleitet und kehrte mit ihm wieder
zurück nach Rom, wo er im Palazzo Farnese wohnte ’. Er war es, der wenige Jahre
vor seinem Tode dem großen Mäzen einen jungen Maler empfahl, von griechischer
Flerkunft und bei Tizian ausgebildet, der durch ein Selbstporträt unter den Künstlern
1 Ronchini, Delle relazioni di Tiziano coi Farnesi, Modena 1864.
2 Jahrb. d. preuß. Kunstsamml. XXVII, 1906, S. 3.
3 Jetzt mit einer Fülle von Details publiziert von A. de Rinaldis in Bolletino d’arte, S. II, a. III,
1923/4, S. 145 ff.
4 Art in America V, 1917, S. 88.
6 A. Ronchini, in: Atti e Memorie d. Deput. p. le provincie Modenesi . . . III, 259!!. Hier der
berühmte, Greco betreffende Brief, den erstJusti in seiner Bedeutung erkannte.
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Großen zugeführt. Mit dem Instinkt des geborenen Kunstfreundes hat er sich be-
müht, Tizian in seinen Dienst zu bekommen; noch ehe sie sich persönlich begegnet
waren, haben (1542) Verhandlungen darüber geschwebt1. Nicht besser hätte sich der
Maler bei dem Gönner einführen können, als durch das Bildnis von dessen jüngstem
Bruder Ranuccio, dem Priore di Venezia, das, nach den erhaltenen Kopien zu urteilen,
zu den glücklichsten unter seinen Porträts gehört haben muß". Nun lernten sie sich
kennen, in Bologna, wo der Papst Tizian zuerst saß; die Einladung nach Rom konnte
nicht ausbleiben und hier nun entstand unter den Augen des Farnese die Reihe jener
malerischen Meisterwerke, deren stolze Reste in der Galerie in Neapel zu einem ein-
zigartigen Saal vereint sind. Von Kardinal Alessandro hat er ein Brustbild gemalt, das
in mehrfachen Wiederholungen vorkommt (Abb. 2), und dann findet man seine etwas
glatten Züge auf jenem Bild des Papstes mit den Nepoten wieder (Abb. 3), das über
ein großes Kunstwerk zu einem historischen Monument von erster Ordnung hinaus-
gewachsen ist.
Verweilen wir einen Augenblick in der Betrachtung dieser Züge; man hat es nicht
leicht, in ihnen den Knaben wiederzufinden, obschon wiederum kein Zug darin ist, der
sich nicht durch den Ablauf der Zeit erklären ließe. Wie rasch hatte doch das Leben
den Knaben zum Manne reifen lassen, der, als er Tizian in Rom saß, erst 25 Jahre
zählte!
Wenn es allen Bemühungen nicht gelang, auch nicht durch das Versprechen des
Amtes des Piombatore der apostolischen Briefe als Nachfolger des Fra Sebastiano, Tizian
an Rom und an seine Person zu fesseln, so blieben sie doch in Beziehungen; noch
20 Jahre später sandte ihm der Maler eine Magdalena zu, wohl jenes Bild, das mit
dem farnesischen Familienbesitz nach Neapel gelangt ist.
Kardinal Alessandro hatte, und darin unterscheidet er sich wohl von keinem fürst-
lichen Amateur, eine Vorliebe für minutiöse künstlerische Arbeit. So mag es sich er-
klären, daß er zwei Künstlern seine besondere Neigung zuwandte, deren technisches
Geschick freilich jeder Kritik standhält: dem Steinschneider Giovanni da Castel Bo-
lognese und dem Miniaturmaler Giulio Clovio. Noch zeugen die erhaltenen Kunst-
werke für den Eifer der Künstler, dem Kardinal zu dienen und für dessen Mäcenaten-
tum: die Cassetta Farnese'3, das Wunderwerk des Florentiner Goldschmieds Manno, an-
gefertigt, um die sechs von Giovanni nach Zeichnungen Perinos del Vaga mit vollendeter
Kunst geschnittenen Kristalle zu fassen, und das von Vasari einer ausführlichen Be-
schreibung gewürdigte Stundenbuch mit 26 Miniaturen, in seiner Art auch ein Wunder-
werk und dem Kardinal so wert, daß er in seinem Testament ausdrücklich darüber
verfügte — das vor Jahrzehnten geheimnisvoll aus der farnesischen Bibliothek ver-
schwand, lange verschollen war und heute in der P. Morgan-Bibliothek in New York
bewahrt wird4. Giulio Clovio blieb des Kardinals engster Vertrauter; er hat ihn in
die vorübergehende Verbannung nach Florenz begleitet und kehrte mit ihm wieder
zurück nach Rom, wo er im Palazzo Farnese wohnte ’. Er war es, der wenige Jahre
vor seinem Tode dem großen Mäzen einen jungen Maler empfahl, von griechischer
Flerkunft und bei Tizian ausgebildet, der durch ein Selbstporträt unter den Künstlern
1 Ronchini, Delle relazioni di Tiziano coi Farnesi, Modena 1864.
2 Jahrb. d. preuß. Kunstsamml. XXVII, 1906, S. 3.
3 Jetzt mit einer Fülle von Details publiziert von A. de Rinaldis in Bolletino d’arte, S. II, a. III,
1923/4, S. 145 ff.
4 Art in America V, 1917, S. 88.
6 A. Ronchini, in: Atti e Memorie d. Deput. p. le provincie Modenesi . . . III, 259!!. Hier der
berühmte, Greco betreffende Brief, den erstJusti in seiner Bedeutung erkannte.
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