Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929
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Heft 2
DOI Artikel:Biermann, Georg: Hoetgers Denkmal der Arbeit: ein Brief an den Künstler
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geblieben, das zu diesen Deinen Gesichten Beziehung hat. Warst Du einmal in Vezelay
oder Sens, dort in der alten Bourgogne, wo man eines der herrlichsten Wunder des
frühen christlichen Mittelalters erleben kann? Allerdings denke ich dabei •— nämlich
in Verbindung mit Deinem Denkmal der Arbeit — nicht an diese frühe antikisierende
Gotik des Tympanon und der Pfeilerfiguren von Vezelay, sondern an jene anderen
Dinge, die von jedem stilisierenden Element frei, in den Kapitellen verborgen sind und
hier in biblischen Parabeln dem Leben selbst ein Gleichnis bilden. Nein, Du bist nie
in der Bourgogne gereist, und es ist töricht von mir, wieder mal dem kunsthistorischen
Ressentiment zu erliegen. Außer dieser eben angedeuteten und -—■ wie mir scheint —
sehr oberflächlichen Beziehung aber weiß ich keinerlei Parallelen aus irgendeiner
Epoche, und es wird klar, daß Deine Gestalten der Arbeit Ureigenstes aus Dir selber
sind, erlebtes Schicksal aus dem Worpsweder Moor, wo das große Schweigen über
Landschaft und Menschen steht, wo die Arbeit mühselig um kärgliche Erträgnisse
einer wenig fruchtbaren Scholle ringt und selbst der Jugend etwas wie Hoffnungs-
losigkeit anhaftet. Die Gebärde Deiner Figuren ist das Erschütternde. Du weisest den
Sinn von Werden und Vergehen, Geburt und Tod, der diesmal aber nicht das Tor der
letzten Freiheit öffnet, sondern ewigen Schlaf, Versinken ins Endliche, Ausruhen von
der Jammerlast des Alltags
bringt. Fast grausam ist
in diesem Sinn das Symbol
der alten Frau, die, zer-
mürbt von der Last der
Arbeit, sich kaum noch
auf den Füßen hält.
Bei diesen Deinen letzten
bild hauerischen Arbeiten
ist auch jede Erinnerung
an die Wunderwerke asia-
tischer, ethnographischer
und antiker Kunst ver-
sunken, die Dich, den sen-
siblen Gestalter, dessen
Phantasie immer grenzen-
los war, früher zu diesem
oder jenem Erlebnis des
Schauens zurückdrängte.
Diese Deine letzte Arbeit
schlägt vielmehr den Bo-
gen hinüber zu jenen Wer-
ken, die am Beginn Dei-
nes Aufstieges stehen, die
ein Rodin als verheißungs-
voll begrüßt hat und die,
wie etwa die »menschliche
Maschine«, einen ähnlich
abgestimmten Rhythmus
der Bewegung besitzen.
Nur die Wucht von innen
her, die die Masse zum
Bernhard Hoetger Knabe. Detail Glühen bringt, um den