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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 3
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Baldass, Ludwig: Die Wiener Tafelmalerei von 1410-1460, 1: (Neuerwerbungen des Wiener kunsthistorischen Museums)
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0102

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leider ziemlich zerstörte Anbetung der Könige im Berliner Museum, zu der die Vor-
zeichnung in Erlangen existiert1. Ihr folgen als qualitativ feinstes Werk fünf Flügel-
bilder, von denen bisher vier bekannt waren, eine seit 1910 verschollene Verstoßung
Joachims, aus deren Wappen Suida die Entstehung des Altars für König Albrecht V.
im Jahre 1438 folgerte, eine Verkündigung im Berliner Kaiser-Friedrich-Museum,
eine Heimsuchung in Neukloster und eine Geburt Christi in ungarischem Privatbesitz.
Die ausgezeichnet erhaltene Heimsuchung wurde 1927 für die Wiener Galerie er-
worben und durch Karl Proksch von der falschen Überbronzierunp- des echten Gold-
O
grundes befreit. Bei dieser Gelegenheit entdeckte der Restaurator, daß die erhaltene
Rückseite vollständig überstrichen war. Sie konnte abgesägt und von ihm wieder her-
gestellt werden und stellt eine Botschaft des Engels an Joachim dar (Abb. 4). Nur
einzelne Stellen am Gewände Joachims, an den Händen und in der Landschaft waren
ausgesprengt — offenbar sind hier Blasen abgefallen — und wurden nur im Tone er-
gänzt. Noch viel stärker als der Meister der Darbringung verwendet der Künstler, der
diese fünf Flügelbilder gemalt hat, die Architektur zu raumbildender Wirkung. Seine
Faltengebung ist gebrochen und knittrig. Er arbeitet mit wenigen starken Farben, die
bereits stoffliche Wirkung hervorbringen. Das Auffallendste an dieser Botschaft an
Joachim ist die Landschaft. Ganz nach dem Rezept, identisch wie auf der Anbetung
der Könige in Berlin, sind die Pflanzen des Vordergrundes breit Umrissen. Und doch
zeigt sich in der dem Heiligenkreuzer Diptychon verwandten differenzierten Art, die
einzelne Pflanzen zu charakterisieren, ein Fortschritt gegenüber dem Meister der
Votivtafel, dessen Gräser und Blätter etwa auf der Trauer unter dem Kreuze lediglich
eine dekorative Aufgabe erfüllen. Aus Felsenversatzstücken und schematischen Bäu-
men ist dann ein Raumbild aufgebaut, das die Figuren Joachims und des Engels plastisch
umfaßt. Das Überraschendste aber ist eine Sonnenuntergangsszenerie mit einem leuch-
tenden roten und gelben Himmel. Offensichtlich wird der Wunsch, eine große land-
schaftliche Gesamtdarstellung zu geben, ein Verlangen, dem das mangelnde Vermögen,
die Einzelheiten naturgetreu bilden zu können, nicht naclikommen kann.
Die fünf bisher bekannt gewordenen Tafeln des Altars, drei VOrderseiten (Verkündigung,
Heimsuchung, Geburt) und zwei Rückseiten (Verstoßung Joachims und Botschaft an
Joachim) sind die ältesten in Österreich, die einen deutlichen Einfluß von der Kunst
des Westens zeigen. Die Prophetenfiguren der Heimsuchung (Abb. 6) bringen klar
wieder die skulpiert gedachten Figürchen des Heiligenkreuzer Diptychons (Abb. 5)
— es ist das einzige bisher feststellbare Nachwirken dieser Schöpfung auf die öster-
reichische Malerei — in Erinnerung-. Die schief gestellten Kirchenräume der Ver-
stoßuug Joachims und der Heimsuchung gemahnen an Broederlams Dijoner Flügel
und fast schon an die Madrider Frühwerke des Meisters von Flemalle. Ganz nieder-
ländisch ist das Stilleben in der Nische auf der Verkündigungstafel. Der Landschafts-
stil auf der Botschaft an Joachim erinnert an die französische Miniaturmalerei vom
Anfang des 15. Jahrhunderts und repräsentiert den der Kunst der Brüder von Limburg
vorausgehenden Stil. So findet sich der Wald ganz ähnlich im Livre des Chasses des
Gaston Phebus2. In der Miniaturmalerei findet auch das in der Tafelmalerei der Zeit
ganz isolierte Beleuchtungsproblem am ehesten seine Parallelen, man denke nur an
das in den dreißiger Jahren gemalte Nachtbild des Ölbergs im verbrannten Turiner
Gebetbuch. Da diese westlichen Einflüsse den Figurenstil nur unwesentlich verändern,
dürften sie indirekt vermittelt worden sein. Fortsetzung folgt
L Beide abgebildet. Belvedere, Forum 1926, vor S. 154, Abb. 5/4.
3 Abb. bei Martin, La miniature frangaise, PI. 84, 85. Eine genaue Stilparallele der Landschaft
auf der Botschaft an Joachim bilden die Jagdszenen auf den Flügeln des bayrischen Meisters von
1444 in der Münchner Pinakothek.

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