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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 21.1929

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Heft 4
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Giedion, Sigfried: Lebendiges Museum
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https://doi.org/10.11588/diglit.41323#0134

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Blick in den Raum der Abstrakten im Provinzialmuseum Hannover
Links: Unten Leger, oben Picasso, zwischen beiden eine verschiebbare Platte, die ein drittes Bild verdeckt.
Auf diese Weise können Bilder sehr eng gehängt werden, ohne daß sie einander bei der Betrachtung stören.
In der Mitte ist an Stelle der üblichen Wandfläche eine Verkleidung mit enggereihten vertikalen Eisen-
bändern getreten, die senkrecht zur Wand gestellt sind. Diese Verkleidung wirkt optisch nicht mehr als
Fläche. So bekommt die davor hängende Komposition von Moholy, die vor einer einfachen Wandfläche
wie flach gebügelt erscheinen würde, für das Auge die räumliche Freiheit, die sie braucht.
Rechts: Zwei Aquarelle von Lissitzky in verschiebbaren Wechselrahmen. Dahinter liegen zwei weitere
Blätter, die sichtbar werden, wenn man den Rahmen nach rechts oder links schiebt. Darüber und darunter
auf glatter schwarzer und weißer Wandfläche zwei Arbeiten von Mondrian,

der Zeit werden und die Dinge zeigen, so lange sie noch in Bewegung sind und nicht
erst, wenn sie anfangen, im historischen Sarg zu liegen. Es ist klar, daß es dazu Urteil
und sensible Hände braucht und einen Instinkt, der weiß, worum es wirklich geht.
Einen ausgezeichneten Vorstoß in dieser Art stellt der »Abstrakte Raum« der Ge-
mäldegalerie im Provinzialmuseum in Hannover dar, der der Initiative des Direktors
Alexander Dorn er zu danken ist.
Der große Komplex der ABSTRAKTEN MALEREI1 ist von besonderer Wichtigkeit,
da er vor allen andern das neue Sehen und die neue Optik unserer Zeit gebildet hat.
Es war immer eine der wichtigsten Aufgaben der Malerei, das SEHEN, das einer be-
stimmten Entwicklung entspricht, zuerst zu formulieren. So hat etwa die nieder-
ländische Malerei des i 7. Jahrhunderts in ihren Landschaftsbildern die Unendlichkeit
1 Einen Wegweiser durch das komplizierte Gebiet gibt das Buch: »Die Kunstismen«, von
Lissitzky und Hans Arp, Eugen Rentsch Verlag, Erlenbach-Ziirich, 1925, das gleichzeitig eines
der vorzüglichsten Beispiele der neuen Typographie darstellt, die seither in jeden Prospekt ge-
drungen ist.
Wir haben in Heft 2 gemeldet, daß die Stuttgarter Ausstellung DER STUHL nach Frankfurt
kommt. Es ist durchaus kennzeichnend, daß der Holländer Mart Stam in Irankfurt in diese
Ausstellung eine Kollektion von Piet Mondrian hängt. Die neue Architektur verhält sich nur
gegen die sogenannte »PEINTURE« ablehnend, nicht gegen eine ihr homogene Optik!
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